Der rote Punkt

Und hier einmal der Bericht über ein Verfahren, das ich leider nicht gewonnen habe; ein Fall aus dem Jahr 2018.

Da gibt es doch tatsächlich Jemanden, der sich einen roten Punkt hat schützen lassen; Sie glauben das nicht? Warten Sie es ab oder schauen Sie mal hier!

Die Markeninhaberin mahnte den Mandanten ab, der eine Thermoskanne mit einem länglich-ovalen Knopf anbot, den die Markeninhaberin als Gestaltung eines roten Punktes ansah und deswegen dagegen vorging. Ich gab – und das ist nun wirklich etwas ganz besonderes bei mir – eine modifizierte Unterlassungserklärung für den Mandanten ab; wir verweigerten jedoch die Erstattung der Abmahnkosten, um dann wenigstens in Gestalt des Kostenstreites die Frage der Rechtmäßigkeit der Abmahnung gerichtlich überprüfen zu lassen. Beim geringerem Prozesskostenrisiko.

Der nichtdeutsche Lieferant versuchte, uns beizustehen, indem er die strittigen Produkte vom Markt nahm, war jedoch nicht bereit, dem Mandanten die Abmahnkosten zu erstatten, berief sich auf die Geschäftsfreiheit und sah den von der Gegenseite angesetzten Streitwert von 50.000 Euro als übersetzt an.

Die Markeninhaberin ließt Klage auf die Abmahnkosten erheben. Wir haben dann zunächst dieses Hersteller-Schreiben vorgelegt. Ich hatte bestritten, dass sich auf den Kannen der Klägerin ein Design befindet, dass einem „roten Punkt“ entspräche, weil alle von der Klägerin vorgelegten Unterlagen die Kannen nur von der Seite zeigen. Und ich hatte versucht, einige Gegenargumente zu formulieren:

Eine Ausgießvorrichtung ist doch kein Punkt!

So hatte ich mathematisch-geometrisch argumentiert, dass ein Punkt qua definitionem der Schnittpunkt zweier Geraden sei, mithin eine eindimensionale kreisrunde Figur. Beanstandet sei jedoch eine Kanne mit Ausgießungsvorrichtung („länglich-ovaler Knopf“). Selbiger sei ein dreidimensionaler, nach Länge, Breite und Höhe definierter Gegenstand. Zudem – von oben betrachtet – ein Rechteck, welches an zwei Seiten, die zueinander planparallel verlaufen, gerade sei. An den anderen zwei Seiten abgerundet; wobei die Kurven in unterschiedlichen Radien verlaufen, nämlich links sehr flach, rechts im engeren Radius und nach oben abgewinkelt. Mithin sei das Design an der beanstandeten Kanne kein roter Punkt. Sondern ein rotes Rechteck mit zwei runden Seiten.

Zudem machte ich geltend, dass der Kläger kein Geschmacksmuster (oder Design) geschützt habe, sondern eine Bildmarke. Die vom Beklagten verkaufte Kanne stelle keine markenmäßige Benutzung dieser Bildmarke dar, zumal das Design der Ausgießvorrichtung beim Beklagten rechteckig sei.

Streit gehört zwischen Rechteinhaber und Hersteller (nicht: Händler)

Ich vertrat die Ansicht, dass die Abmahnung unberechtigt sei, weil sie sich als ungerechtfertigte Abnehmerverwarnung darstellen würde (vgl. BGH, Urteil v. 21.12.2005, X ZR 72/04).

Der Hersteller habe der Klägerin mitteilen lassen, dass er sich aus dem Verkauf der strittigen Artikel zurückgezogen habe und es unterlassen werde, an Thermosflaschen Aufmachungen zu verwenden, die einen rotem Druckknopf am Deckel aufweisen würden.

Der Hersteller hatte auch die gesamte Verantwortung auf sich genommen, indem er erklärte:

„Die Firma … erklärt  ebenfalls, dass sie bei der Herstellung, dem Verkauf oder dem Import o.g. Thermosflaschen nicht mit anderen Unternehmen zusammenarbeitet.“

Der Hersteller hat sich ebenfalls dazu verpflichtet, keine Wirtschaftstätigkeit im Hinblick auf das Angebot und den Verkauf von mit einem roten Punkt gekennzeichneten Produkten gemäß der eingetragenen Bildmarke auszuführen.

Ich nahm an, dass sich mit der Intervention des Herstellers ein – ggf. zwischen Markeninhaber und Hersteller bestehender – Rechtstreit auf gütlichem Wege erledigt oder der Markeninhaber den Hersteller daraufhin gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen habe. – Dahinter steht auch der Gedanke, dass ich der Ansicht bin, dass derartige Auseinandersetzungen zwischen Markeninhaber und Hersteller geführt gehören und nicht zwischen Markeninhaber und Händler!

In beiden Fällen sei meiner Ansicht nach die Abmahnung meines Mandanten als gegenstandslos anzusehen. Im ersten Fall, weil sich der Hersteller gegenüber der Markeninhaberin auf gütlichem Wege dazu verpflichtet hätte, diese Kannen aus dem Verkehr zu ziehen. Im zweiten Fall, weil der Hersteller gerichtlich dazu gezwungen worden wäre. Habe die Markeninhaberin – im Falle zwei – ein gerichtliches Verfahren gegen den Hersteller sogar verloren, dann wäre die Abmahnung meines Mandanten erst recht rechtswidrig.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Streitwert mit 50.000 Euro veranschlagt werde. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Sache einen über 1,3 hinausgehenden Gebührenansatz erfordern solle. Der Klägervertreter berief sich auf „zahlreiche ähnlich gelagerte Verfahren“. Daraus sei zu entnehmen, dass es für ihn keine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit erforderte würde, die gegenständliche Abmahnung zu versenden. Ein solcher Streitwert mag gegenüber einem Hersteller angemessen sein. Nicht aber gegenüber einem Händler.

Es befremde zudem, dass nach Eintragung der Marke des Klägers, für die er Verkehrsdurchsetzung beanspruche, nunmehr alles zu unterlassen sei, was auch nur annäherungsweise oder im entferntesten mit einem roten Punkt zu tun habe.

Sieht das nicht aus wie die Staatsflagge von Japan?!

Die Abmahnung sei als Abnehmerverwarnung rechtswidrig, weil die Marke löschungsreif sei. Es bestünde ein absolutes Schutzhindernis, das nicht durch Verkehrsdurchsetzung überbrückt werden könne: Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG seien Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen enthalten. Die Marke sei die Flagge Japans, mithin eine Staatsflagge. Wer sie nicht kennt, kann das bei Wiki nachlesen. Das hielt ich, ehrlich gesagt, für mein stärkstes Argument.

Was meinen Sie?

Abbildung 1: https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/396106692/DE

Abbildung 2: https://de.wikipedia.org/wiki/Flagge_Japans

Ich hatte mich sogar mit einem Schreiben an seine Exzellenz, dem außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter von Japan mit der Bitte um Unterstützung gewandt:

„Wir ersuchen Sie, es in Erwägung zu ziehen, uns mit einer schriftlichen Note beizustehen, die gegebenenfalls dahin lauten wolle, dass Ihr Haus nicht darüber erfreut sei, dass sich die Flagge Japans überhaupt beim Deutschen Patent- und Markenamt als Handelsmarke eingetragen findet, dass daraus zugunsten des Eintragenden kein Kapital geschlagen werden solle und dass derartiges im Hinblick auf Artikel 20 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 überhaupt besser unterbleiben solle.“

Jedenfalls könne die Löschungsreife dem Klageanspruch in diesem Falle entgegengehalten werden, weil es sich um ein absolutes Schutzhindernis handele, das von der beanspruchten Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG ausdrücklich ausgenommen sei. Wie die Flagge Japans aussieht, dürfe als offenkundig gemäß § 291 ZPO angesehen werden. Die Marke entspräche eins zu eins der Staatsflagge Japans. Ich hatte dann auch noch Löschungsantrag beim DPMA gestellt und beantragt, dass Abmahnkostenverfahren bis zur Bescheidung desselben auszusetzen.

Anderer Ansicht: Landgericht Hamburg

Ich bin mit all dem nicht durchgedrungen; das Landgericht Hamburg war ganz anderer Ansicht!

„Die Klagemarke enthält nicht die Staatsflagge Japans. Gegenstand der Klagemarkendarstellung ist lediglich ein roter Punkt, nicht indes dessen Hintergrund und letzterer insbesondere nicht in der Form eines weißen Rechteckes, in der ein roter Punkt mittig zentriert angeordnet ist.“

LG Hamburg, Urteil vom 25.04.2019, 327 O 380/18

„Der rotfarbige Druckknopf der Gestaltung gemäß Anlage … ist bei Draufsicht von oben ovalförmig und weicht damit nur geringfügig von der Klagemarkengestaltung ab. Aus anderen Perspektiven erscheint er zudem rund.“

LG Hamburg, a.a.O.

Was ward aus dem Löschungsantrag?

Gegenüber dem DPMA hatte ich geltend gemacht, dass die Umgebungsfläche in der Markendarstellung in der Eintragungsurkunde weiß sei. Und die Eintragungsurkunde als öffentliche Urkunde eine gesteigerte Beweiskraft dahingehend genösse, dass sie die Vermutung ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit in sich trage, § 415 ZPO. So dass auf der Eintragungsurkunde die Staatsflagge Japans abgebildet sei. Das werde man doch vernünftigerweise nicht bestreiten können. Denn das sei doch ganz offensichtlich. Wenn Sie nun auch noch wissen wollen, wie „erfolgreich“ mein Löschungsantrag war, dann schauen Sie ins Register.

„Manchmal fängst du den Bären und manchmal fängt der Bär dich!“

(„Star Trek“, Paramount Pictures/Paramount Global, bzw. „The Big Lebowski“, PolyGram/UIP und Universal)

Alternative Lösung

Man kann es natürlich auch so lösen: Für einen anderen Mandanten von mir, der eine solche Kanne direkt vom (inländischen) Hersteller bezogen hatte, kümmerte sich dieser – auch kostenmäßig – selbst um die Angelegenheit, so dass ich der Gegenkanzlei mitteilen konnte:

„Meine Mandantin hat sich an den Hersteller der von meiner Mandantin angebotenen Isolierkannen, die Firma H. gewandt und von dieser die Antwort erhalten, dass sich die Rechtsabteilung des Herstellers H. in dieser Angelegenheit direkt mit Ihrer Mandantschaft in Verbindung setzen wird.“

Damit war die Sache für den Mandanten und für uns ausgestanden.

Ohne Bären.