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Über Onlinehandelsrecht

Rechtsanwalt Wolfgang Wentzel, Dresden. Mitglied der Anwaltskooperation it-recht-deutschland und Beauftragter des Vorstandes des Bundesverbandes Onlinehandel e.V. (BVOH) für die Geschäftsführung

Server Blackout

Des Nachts, als alles schlief, ging der Server des Dienstleisters in die Knie. Genauer gesagt: verhustete sich. Oder träumte schlecht. Alle Preise des Mandanten – auch die auf einer schönen Plattform, nennen wir sie A. – wurden falsch angezeigt. Plötzlich kosteten alle Produkte, alle, also auch die preisintensiven, knapp unter 20 Euro. Der Alptraum eines jeden Händlers. Und der Wunschtraum eines jeden Schnäppchenjägers.

Nun konnte man ja auch nicht so einfach, was für den Uneingeweihten vielleicht nahe liegen würde, alle diese Angebote abbrechen. Denn dann ginge die Verkäuferperformance auf Null oder doch ziemlich weit herunter. Maßnahmepläne müssen geschrieben werden („Plan Of Action“). Accountsperre droht! Falls diese Plattform dann auch noch der einzige Verkaufskanal wäre; Sie wissen, was ich sagen will. Oder ahnen es.

Die Situation erzeugte, wie Sie sich vorstellen können, sehr viel außerplanmäßige Arbeit beim Mandanten. Es betraf rund einhunderttausend Artikel. Kaufverträge mussten angefochten werden. Kaufpreise waren zu erstatten.

„Leider ist es hier zu einem Preisfehler gekommen. Beim Übertragen der Artikel auf A. wurde durch einen Serverfehler bei unserem Drittanbieter ein falscher Preis für über 100.000 Artikel hinterlegt. Dies hat zur Folge, dass wir Ihre Bestellung stornieren müssen.“

Aus der Kundeninformation

100.000 waren betroffen. 99.999 hatten Verständnis. Einer klagte! Auf Schadensersatz wegen nicht erbrachter Leistung. Natürlich in Höhe des wirklichen Wertes des nicht unbeträchtlichen Teils, was er da erstanden zu haben meinte. Gier frisst Hirn, könnte man denken.

Meine Erwiderung

Ich habe meine Verteidigung dann relativ knapp, und wie immer hart am Gesetz, gehalten:

„Der Kaufvertrag ist wirksam und rechtzeitig gemäß §§ 119 Abs. 1, 120, 121 Abs. 1 BGB angefochten worden, so dass der vorgetragene Schadensersatzanspruch nicht besteht.

1.

Der Beklagten stand ein Anfechtungsgrund zur Seite (§ 120 i.Vm. § 119 BGB).

Die zur Übermittlung des Kaufpreises von der Beklagten an A. verwendete Einrichtung, die XXX, hat diesen falsch übermittelt. Grund war ein Serverfehler bei dieser Einrichtung. Das folgt aus der vorgelegten Bestätigung der XXX.

Die Beklagte hätte bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles diesen YYY nicht für XX € angeboten, weil der Marktpreis für Verbraucher für diese YYY um die X.XXX € beträgt, wie sich bereits mittelbar aus der Klage selbst ergibt.

2.

Die Anfechtung erfolgte auch unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte hat nicht schuldhaft gezögert. Der Serverfehler betraf bei der Beklagten über 100.000 Artikel. Alle diese waren zu prüfen und die Kaufverträge anzufechten. Der Serverfehler geschah am 14./15.XX.20XX. Die Beklagte hat bereits am 19.XX.20XX angefochten. Vor dem Hintergrund der sehr hohen Anzahl der rückabzuwickelnden Kaufverträge ist hier keine schuldhafte Verzögerung erkennbar.

Zur wirksamen Erklärung einer Anfechtung ist die ausdrückliche Verwendung des Begriffes „Anfechtung“ nicht nötig, vielmehr ausreichend und erforderlich, dass der Anfechtende hinreichend klar und deutlich zum Ausdruck bringt, dass er am Vertrage nicht mehr festhalten will. Dem hat die Beklagte mit den Worten „Dies hat zur Folge, dass wir Ihre Bestellung stornieren müssen“ entsprochen, unterstrichen durch die Darlegung des Anfechtungsgrundes sowie auch der Bitte um Entschuldigung für die entstandenen Unannehmlichkeiten.

3.

Auf die beiliegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 26. 1. 2005 – VIII ZR 79/04 wird Bezug genommen.“

Aus meiner Klageerwiderung

Die Entscheidung des Amtsgerichts

Ich mach es dieses Mal mal kurz: Das Amtsgericht hat mir Recht gegeben. So wie es auch das Amtsgericht kurz gemacht hat:

„Der Kläger hat keinen Anspruch aus den zwischen den Parteien beschlossenen Kaufvertrag. Es ist zwar zunächst ein Kaufvertrag unter dem 15.XX.20XX zwischen den Parteien über ein YYY zum Kaufpreis von XX,00 EUR geschlossen worden. Die Beklagtenseite hat jedoch diesen Kaufvertrag unverzüglich gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen Irrtumes angefochten. Die Beklagte hat schlüssig und gut nachvollziehbar vorgetragen, aufgrund eines Serverfehlers in der Nacht vom 14. auf den 15.XX.20XX sei der falsche Artikelpreis von XX,00 EUR ausgeführt worden. Der Vortrag ist ausreichend belegt durch die Vorlage des Bestätigungsschreibens der Firma XXX vom 15.XX.20XX (Anlage B2). Die Beklagte hatte sich bei der Abgabe des Angebotes hinsichtlich des Kaufpreises in einem Irrtum befunden, da statt des Preises von über XXXX,00 EUR ein Preis, wie auch bei anderen Artikeln der Beklagten, von nur XX,00 EUR eingestellt worden war. Aufgrund der sofortigen Anfechtung des Kaufvertrages, ist dieser tatsächlich nicht wirksam zustande gekommen und der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch. Da ein Anspruch auf Zahlung über Hauptforderung entfiel, bestand auch kein Anspruch auf Zahlung der Nebenforderung.“

Aus den Entscheidungsgründen, Amtsgericht Siegen, Urteil vom 14.07.2022, 14 C 94/22

Es kam zur Berufung

Das Landgericht hat einen zarten Hinweis gegeben, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen; der Kläger hat seine Berufung daraufhin zurückgenommen.

„1.

Die mit der Berufungsschrift vorgetragenen Einwände sind nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen.

Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht eine wirksame Anfechtung des streitgegenständlichen Kaufvertrages durch die Beklagte bejaht und Schadensersatzansprüche des Klägers verneint.

Die E-Mail der Beklagten vom 19.XX.20XX ist als Anfechtungserklärung i.S.d. § 143 BGB auszulegen, denn eine solche stellt jede Willenserklärung dar, die erkennen lässt, dass der Anfechtungsberechtigte seine vorangehende Erklärung nicht gelten lassen will. Insoweit ist es unerheblich, dass in der E-Mail nur von „stornieren“ und nicht von „anfechten“ die Rede ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1984 – IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324-333).

Es liegt ein Anfechtungsgrund gemäß § 120 BGB i.V.m. § 119 BGB vor. Ein solcher Inhaltsirrtum in Form einer unrichtigen Übermittlung liegt auch dann vor, wenn ein bezüglich der invitatio ad offerendum im Online-Shop des Verkäufers vorliegender, relevanter Irrtum in der auf den Vertragsschluss gerichteten Annahmeerklärung fortwirkt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 – VIII ZR 79/04 –, juris, Rn. 15). Dieser Anfechtungsgrund ist entgegen der Ansicht des Klägers hinreichend dargelegt. In dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben der XXX vom 15.XX.2021 (Bl. 37 f. d. Akte des AG) heißt es:

„Bitte erstellen Sie ein Ticket in Ihrem A. ppp mit folgendem Inhalt:

Liebes A. Team,

aufgrund eines Server-Fehlers bei unserem Drittanbieter für Repricing, der XXX, wurden seit gestern Abend und heute Nacht die Preise sowie Mengen unserer Produkte falsch zu Ihnen importiert. Es handelt sich um alle Produkte mit einem Artikelpreis in Höhe von XX €. Bitte stornieren Sie alle
Bestellungen, die seit gestern Abend mit einer Höhe von XX € ausgelöst
wurden. Bitte aktivieren Sie die Artikel mit Höchstpreisfehler wieder.“

Darüber hinaus weist bereits der angegebene Preis für den Kaufgegenstand evident auf einen Irrtum des Verkäufers hin. Dieser lag bei noch nicht einmal 1,5 % des marktüblichen Verkaufspreises, so dass sich bereits aus dem objektiven Empfängerhorizont des Käufers ein Irrtum des Verkäufers aufdrängen musste. Dies führt zudem dazu, dass die Annahme eines nicht zur Anfechtung berechtigenden Kalkulationsirrtums (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2016 – I-16 U 72/15 –, juris, Rn. 58) in der vorliegenden Konstellation nicht in Betracht kommt.

Die Anfechtung durch die Beklagte ist entgegen der Auffassung des Klägers auch rechtzeitig i.S.d. § 121 BGB erfolgt. Eine Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass der Anfechtungsgrund – unter Zugrundelegung des Vortrages der Beklagten – bereits am 15.XX.20XX bekannt gewesen ist. Die Anfechtungserklärung ist aber schon am 19.XX.20XX erklärt worden. Unverzüglich bedeutet nicht „sofort“; vielmehr steht dem Anfechtungsberechtigten eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist zu. Die Interessen des Anfechtungsgegners nach Beschleunigung sind mit der für den Anfechtenden gegebenen Notwendigkeit zur Prüfung und Überlegung abzuwiegen (vgl. Staudinger/Singer (2021) BGB § 121, Rn. 8). Ein Zeitraum von bis zu 2 Wochen wird in der Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 4. April 2019 – I-5 U 40/18 –, juris) als vertretbar angesehen. Eine Anfechtung des Kaufvertrages im Internethandel vier Tage nach der Auftragsbestätigung ist jedenfalls als rechtzeitig anzusehen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 12. Januar 2004 – 13 U 165/03 –, juris). Die Anfechtung erfolgte zudem vor der angekündigten Zustellung, die ausweislich der Anlage K1 (Bl. 5 der Akte des Amtsgerichts) erst für den 19. bis 20.XX.20XX vorgesehen war.

Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzspruch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs.1 BGB oder aus § 122 BGB zu, denn der Ersatz des Erfüllungsinteresses scheitert daran, dass ein Vertrag über den Kaufgegenstand nicht zu günstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre, und ein Vertrauensschaden ist bereits nicht dargelegt.

2.

Daneben kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Es handelt sich vielmehr um einen Rechtsstreit aus dem Gebiet des Kaufvertragsrechts, zu dem bereits Rechtsprechung des BGH ergangen ist. Eine mündliche Verhandlung erscheint schließlich angesichts des Sachverhalts auch sonst nicht geboten.“

Aus dem Hinweisbeschluss des Landgerichts Siegen vom 30.03.2023, 3 S 46/22

Danke, Amtsgericht und Landgericht Siegen. Danke Bundesgerichtshof.

Feinsinniges für Insider

Und die Frage nach der invitatio ad offerendum („im Online-Shop des Verkäufers“) und der Vertragsschlusslogik auf der Plattform A., die lassen wir hier an dieser Stelle einfach mal dahinstehen. Der geneigte Leser aus dem Kreise der Fachkundigen weiß, was ich meine. Die anderen überlesen bitte meine Anmerkung. Aber ok, damit alle ruhig schlafen können, löse ich es auf: Was für die invitatio ad offerendum gilt, muss erst recht für die, sagen wir lieber an dieser Stelle einmal: richtige Vertragserklärung (§ 145 BGB), gelten, in der – wie es das Landgericht so trefflich formuliert – die invitatio „fortwirkt“ 🙂 Ich meine, wenn der BGH den Gedanken auf die invitatio anwendet, wird man ihn auch auf ein Angebot (auf der Plattform A.) anwenden dürfen, erst-recht-Schluss. Oder vielleicht sind ja die „Angebote“ dort doch nur invitatio? Sei es, wie es ist! Und: Das Landgericht kann zur Begründung heranziehen, was zur Begründung geeignet ist. Durch die Rücknahme seiner Berufung jedenfalls ging der Kläger seines Rechtsmittels – Wie heißt es doch so schön? – verlustig, § 516 ZPO.

Monatskarte Deal

Eines meiner ersten strafrechtlichen Mandate war eine Pflichtverteidigung für Herrn B., der u.a. ein Problem mit Schwarzfahren hatte. Dem lag ein anderes Problem zu Grunde, gesundheitlicher Art. Mein Lösungsansatz war pragmatisch. So meinte ich, dass ich, wenn ich ihm dabei helfe, sein Abhängigkeitsproblem zu lösen, dies auch die Lösung des Anhänglichkeitsproblems (der Strafjustiz an Herrn B.) nach sich ziehen würde. Und so hatte ich mich um allerlei Maßnahmen, die auf so wundervolle Bezeichnungen wie Entgiftung und Entwöhnung hören, gekümmert. Mit temporärem Erfolg. Und entgegen den Ratschlägen meiner Ausbilderin.

„Schwarzfahren“ ist übrigens in mehrfacher Hinsicht diskriminierend: Es diskriminiert Menschen anderer Hautfarbe und die Schwarzfahrenden (Stigmatisierung, Stereotyp). Also sprechen wir besser von „Leistungserschleichung“, dem etablierten juristischen Fachbegriff. Diese hat sogar eine eigene, wenn auch nachträgliche (wie am kleinen a erkennbar), Hausnummer im Strafgesetzbuch. Noch. Es ist die 265a.

Die 11 nach Bühlau, historisch betrachtet, Foto: WW

Vielleicht kann man ja auch, wie es z.B. die Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) tut, von „Fahrgästen ohne gültigen Fahrausweis“ sprechen; wiewohl ja der Begriff „Gast“ eine gewisse Berechtigung zu intendieren scheint! Denn Gast hat die Komponente des Eingeladen seins. Oder wir bezeichnen die Zahlenden als „beförderungsberechtigte Kunden“ und die nicht zahlenden, also die mit rotem Kopf Fahrenden, als „Fahrgäste“ 🙂

@Insider: Die Verkehrsbetriebe hatten früher ein Piktogramm (AGB-Bildchen, erhöhtes Beförderungsentgelt): Der „Schwarzfahrer“ war schwarz mit rotem Kopf und die Zahlenden weiß dargestellt. Die DVB haben das Bildchen geändert. Achtsamerweise. Nun sind sie alle schwarz. Allerdings hat der Erschleichende (nach wie vor) einen roten Kopf. Passt. Schäm dich! Stigmatisiert eigentlich immer noch (POV).

Angaben zum Bildzitat: Piktogramm der Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB), Quelle: Homepage der DVB unter (https://www.dvb.de/de-de/service/miteinander). Abgerufen am: 02.05.2024. Urheber: Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) bzw. im Auftrag der DVB. Nutzungsrechte: Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB).

Monatskarte Deal versus Leistungserschleichung

Ich wollte also das strafrechtliche Problem des Herrn B., das der Leistungserschleichung (§ 265a StGB), lösen. Noch ist sie ja strafbar. So habe ich mir folgendes ausgedacht: Ein Deal zwischen der Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB), dem Sozialamt, mir und vor allem natürlich Herrn B. Etwas kompliziert, aber dennoch logisch, ja schlüssig, wenn man es erst einmal zum Laufen gebracht hat. Also: Das Sozialamt überweist den Verkehrsbetrieben Geld. Die DVB richten Herrn B. eine Abo-Monatskarte dafür ein. Aber händigen sie ihm nicht aus. Sondern hinterlegen sie in seiner „Kartentasche“. Denn die Monatskarte ist ja übertragbar, verkaufbar. Außerdem, auch wenn er sie dabei hätte, wäre nicht klar, dass er sie auch vorzeigen könnte oder würde, wenn er kontrolliert wird; aus unterschiedlichen Gründen. Und per Hinterlegung bei den Verkehrsbetrieben selbst ist „mithin dann“ physikalisch ausgeschlossen, dass Herr B. jemals wieder schwarz fährt. Solange der Deal hält. Die Erstauflage des Deals war 2004/2005. Und jetzt läuft er auch gerade wieder; glücklicherweise, für Herrn B. und für die DVB (Cash in).

„In Höhe der tatsächlichen jeweiligen monatlichen Kosten für die Abo-Monatskarte (derzeit € 54,90 monatlich; unter Berücksichtigung Ermäßigung Dresden Pass, sobald vorliegt) trete ich meinen Anspruch auf Sozialhilfe zur Erfüllung meiner Verpflichtungen aus o.g. Vertrag an die DVB AG ab und weise die Landeshauptstadt Dresden, Sachgebiet Sozialleistungen Nord, an, die entsprechenden Kosten im Wege der Direktüberweisung auf die folgende Bankverbindung der DVB AG zu überweisen …“

Aus dem Monatskarte Deal

Hintergründe und Ausblick

Da das Vorstrafenregister von Herrn B., überwiegend wegen Bagatelldelikten, mit inverser Logik ausgedrückt, beeindruckend ist, fielen die Strafaussprüche – dem entsprechend – saftig aus, für ein geklautes Duschbad z.B. 6 Monate ohne Bewährung (§ 47 StGB); für einen Teller warme Suppe und ein Dach über dem Kopf während der harten Wintermonate. – Ich weiß nicht, ob Sie mir folgen können. – Oder 60 Tagessätze für eine Schwarzfahrt, die sich natürlich zu zwei Monaten Ersatzfreiheitsstrafe wandeln, wenn man sie nicht bezahlt, wie es für einen Obdachlosen den Regelfall darstellen dürfte.

Das Prozedere, jemanden anzuzeigen und strafrechtlich zu verfolgen, weil er von den Kontrolleuren „angetroffen“ wurde, ist übrigens viel einfacher und eingespielter als die Einrichtung meines Monatskarte-Deals; soviel Kritik erlaube ich mir an dieser Stelle. Ich habe meinen Deal aber kräftig bei den Verkehrsbetrieben beworben mit: Ihr bekommt regelmäßig Eure Einnahmen, das „erhöhte Beförderungsentgeld“ von dieser Person jedoch niemals und ihr habt nichts davon, wenn er für Monate einfährt. Hat vielleicht überzeugt.

Leute wegen „Beförderungserschleichung“ anzuzeigen, erscheint als nicht sehr nobel. Aber dafür gibt es ja jetzt begrüßenswerterweise die Diskussion, das Schwarzfahren aus der Strafbarkeit zu nehmen und ins Bußgeldrecht zu verschieben. Das Cannabis-Legalisierungs-Gesetz lässt grüßen! Vielleicht kann man das Schwarzfahren (ein wie gesagt diskriminierender Begriff, aber leider etabliert) auch gleich legalisieren und die Leistungserschleichenden amnestieren. Danach muss ich natürlich meinen Deal neu bewerten.

Die Schwierigkeiten begannen schon damit, dass die DVB bei Abo-Monatskarten eigentlich nur Einzug per Einzugsermächtigung akzeptierten und keine Überweisung. Haben wir gelöst. Danke DVB.

Die Sache mit dem Dresden-Pass

Aber richtig komplex wurde es, als mich das Sozialamt freundlich darauf hinwies, dass man ja einen „Dresden-Pass“ für Herrn B. einrichten könnte, womit die Abo-Monatskarte dann noch einmal ein wenig günstiger würde. Mir standen die Haare zu Berge als ich es las! Weil ich ahnte, was auf mich zukam.

Herr B. ist ein selbständiger und freiheitsliebender Mensch! Des Sommers ist er unterwegs. Des Winters meist auf Urlaub. Das ist Slang für einen Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt, kurz: JVA. In der Übergangszeit – wenn das Wetter schlecht ist – ist Herr B. in der „Wetterwarte“ aufenthältig. Das ist ein Dresdner Obdachlosenheim; Grüße gehen raus!

Du brauchst für den Dresden-Pass als erstes natürlich ein Passbild. Das Handy musst Du in der Justizwachtmeisterei hinterlegen, wenn Du in die JVA gehst, auch als Strafverteidiger. Gut, so habe ich dann Fotos von Herrn B. mit meinem Laptop gemacht. Diese in unendlicher Kleinarbeit zurechtgezoomt und auf Fotopapier ausgedruckt. So hatte ich ein ansehnliches Passbild. Sowas wie Meldebescheinigung ging natürlich überhaupt nicht. Hier ist mir die Landeshauptstadt, Abteilung Dresden-Pass, sehr entgegengekommen; Dankeschön! Und so haben wird einen Dresden-Pass für Herrn B. eingerichtet bekommen!

„Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin der Pflichtverteidiger des Herrn B., der derzeit in Ihrer Einrichtung zu Gast ist.

Wir versuchen, Herrn B. einen Dresden-Pass einzurichten. Schreiben der Landeshauptstadt Dresden vom 27.02.2023 in dieser Sache anbei.

Hierzu benötigen wir bitte eine Kopie seines Personalausweises. Da ich mir vorstellen könnte, dass sein Personalausweis bei Ihnen hinterlegt ist, bitte ich Sie um diese Kopie. Eine entsprechende Vollmacht (im Hinblick auf den Dresden Pass), wie auch meine gerichtliche Beiordnung füge ich bei.

Bitte lassen Sie auch ein Passbild von Herrn B. aufnehmen. Ich hatte ihm bei meinem letzten Besuch bei ihm bereits einen entsprechendes Gesuch geschrieben, aber ich weiß nicht, ob und inwieweit er damit erfolgreich war. Für die Kosten des Passbildes komme ich auf.“

Mein Schreiben an den Sozialdienst der JVA

Der Dresden-Pass aber muss auch von Zeit zu Zeit verlängert werden, was mir dann auch wieder als Horror erschien. War aber im Ergebnis dann gar nicht so schlimm. Insbesondere werden die Daten („hallo, er hat jetzt einen verlängerten Dresden-Pass“) mittlerweile glücklicherweise elektronisch durch die Stadt an die Verkehrsbetriebe digital überspielt. Ganz DSGVO-konform versteht sich!

Leistungsbescheid und Haftentlassungsschein

Man braucht natürlich auch noch einen „Leisungsbescheid“ für den Dresden-Pass. Dafür benötigt man den Haftentlassungsschein, wenn man gerade aus selbiger kommt. Der einfache Entlassungsschein genügt nicht. Er muss die Angabe der Höhe des Entlassungsgeldes enthalten. Denn das muss ja auch berücksichtigt werden.

„Wir arbeiten noch daran, Herrn B. einen Dresden-Pass einrichten zu lassen. Das stößt aber auf zahlreiche Schwierigkeiten, nur damit Sie informiert sind; natürlich sind wir Ihnen für Ihre Erinnerung sehr dankbar, vergessen haben wir die Angelegenheit jedoch keinesfalls. Herr B. besitzt schon seit Jahren keinen Personalausweis mehr, den er jedoch für die Beantragung eines Dresden-Passes benötigt. Außerdem ist ein Leistungsbescheid erforderlich, der nicht erstellt werden kann, solange keine Haftentlassungsbescheinigung vorliegt. Diese habe ich mit Schreiben vom heutigen Tage von der JVA erbeten. Die Anfertigung eines Passbildes für einen Obdachlosen ist schwierig. Ich hatte darum gebeten, dass ein Passbild noch während des Aufenthaltes von Herrn B. in der JVA Bautzen dort angefertigt werde; dieser Bitte konnte nicht entsprochen werden.“

Aus einem meiner Schreiben an die Verkehrsbetriebe

Etwas über Betreuung

Und ich bin ja nicht mal offiziell Betreuer. Aber habe mich natürlich mit Vollmachten versehen lassen zum Monatskarte-Deal, Dresden-Pass etc. Und habe meine gerichtliche Beiordnung als notwendiger Verteidiger gemäß § 140 StPO. Manchmal bekomme ich eine, manchmal keine. Und vielleicht umfasst ja die Pflichtverteidigung einige Schritte zur Vermeidung künftiger Strafbarkeit. Natürlich möchte Jemand im Herrn-B.-Hilfswerk/Netzwerk, dass ich Betreuer für Herrn B. werde; Grüße gehen raus an Frau R. Aber damit würde ich mich übernehmen, schon zeitlich. Ich möchte Herrn B. lieber mit einer gewissen Freiheit, Freiwilligkeit, und ja: auch Ehrenamtlichkeit helfen.

„Über einen „aktuellen Betreuerausweis“ verfüge ich nicht. Meine Tätigkeit für Herrn B. geschieht im Rahmen meiner gerichtlichen Beiordnung als notwendiger Verteidiger für Herrn B.  (Anlage 2) – denn mein Engagement dient auch der Vermeidung weiterer Strafbarkeit des Herrn B. wegen § 265a StGB (Leistungserschleichung) – sowie auf Grund der Vollmacht des Herrn B.; siehe dazu bitte Anlage 1, dort Ziffer 1, zweiter Halbsatz. Man kann auch sagen, ich tue das ehrenamtlich und für das Gemeinwohl.“

Aus einem meiner Schreiben an die Verkehrsbetriebe

Und nun hat Herr B. eine Monatskarte. Von der er vielleicht noch nicht einmal weiß. Und er kann nicht mehr schwarz fahren. Jedenfalls nicht in Dresden. Und er macht nicht dauernd meine Arbeit wieder kaputt, mit einer neuen Anklage. Duschbäder etc. sind natürlich nicht im Deal einbegriffen. Aber vielleicht kann ich bei der Schwarz Gruppe eine Kaution hinterlegen? Gute Idee! Andererseits „braucht“ Herr B. von Zeit zu Zeit ein Ticket in den Urlaub. Stichwort Teller warme Suppe und Dach über dem Kopf. Es ist nicht sarkastisch gemeint, noch nicht einmal ironisch. Aber Sie werden es nur verstehen, wenn Sie die wirkliche Situation von Herrn B. – und den vielen, die wie er sind – verstehen können, was ich wiederum nicht erwarten kann.

Grüße gehen raus!

Als erstes an die Landeshauptstadt Dresden, Sachgebiet Dresden-Pass, für professionelle Amtsführung und innerhalb dieser fürs Entgegenkommen. Das größte Dankeschön natürlich an den Bereich „Sozialleistungen Nord“, insbesondere Frau V., bei der Landeshauptstadt Dresden. Von dort kommt die Kohle für die DVB. Die natürlich Herrn B. von seiner Sozialhilfe abgezogen wird.

Herr B. jedenfalls kurvt strafrei durch Dresden. Und ich würde mir manchmal jemanden wünschen, der sich so um mein Zeug kümmert, wie ich mich um Herrn B. Aber nun, ich bin etwas jünger. Und habe auch Mittel und Möglichkeit, ihm zu helfen und natürlich ein Motiv. Damit meine ich nicht meine Rechtsanwaltlichkeit, denn, wie Sie sicher einsehen, mache ich mich mit derob partiell selbst arbeitslos. Der Strafverteidiger lebt ja von der Straffälligkeit seiner Mandanten.

Tja, und allzeit gute Fahrt Herr B.

Epilog oder eine Frage, die man besser nicht stellt

Was ist eigentlich, wenn Herr B. „auf Urlaub“ ist? Dann bekommt er keine Leistungen. Dann kann das Sozialamt auch nichts an die DVB überweisen. Nun ja, wenn er „sitzt“, kann er nicht fahren, könnte man entgegenhalten. Aber das beantwortet die Frage nicht wirklich. Manchmal geschieht Hilfe auch im Verborgenen. Vielleicht auch durch jene, die man kritisiert hat. Danke den Verständigen und Barmherzigen!

Was hat es mit dem Hecht zu tun?

Der Hecht (Foto oben) war der damals wohl modernste Straßenbahnwagen Europas, ersonnen von Prof. Alfred Bockemühl, dem früheren Direktor der Dresdner Straßenbahn AG, so gegen Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Nun, das Thema dieses Beitrags ist in gewisser Weise „Fahren mit der Straßenbahn“. Es steckt aber noch mehr dahinter. Herr B. ist als Kind mit seinem Fahrrad – bergab aus Dresden-Plauen kommend – am Nürnberger Ei gegen einen solchen Hechtwagen der Linie 11 gefahren. Und wurde dabei verletzt. Ich finde, die Verkehrsbetriebe sind in einer gewissen Verbindlichkeit ihm gegenüber, mindestens moralisch. Ein Pünktchen mehr noch steckt dahinter. Aber das kann ich auf diesem Blog nicht schreiben. Noch nicht mal als Schlusspunkt 🙂

e-Commerce-Day am 26.04.2024 in Köln

Auf dem e-Commerce Day in Köln (2018)

Am 26. April 2024 werde ich mit dem Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH) auf dem e-Commerce Day by Kaufland im Rhein-Energie-Stadium in Köln sein (Stand 26). Unser Präsident Andreas Müller und unsere Hauptgeschäftsführerin Heidi Kneller-Gronen werden um 10:30 Uhr auf der Hauptbühne / Main Stage zu dem Thema:

Retourenbekämpfung, Marktplatzsperrungen und Temu: Was wir für Euch erreichen können

referieren (Vortragsplan). Sie beleuchten die aktuellen Probleme im Onlinehandel. Und diskutieren den aktuellen politischen Sachstand zu Retouren und Widerrufsmissbrauch mit Euch. Wir als BVOH thematisieren die Folgen von Marktplatz-Sperrungen und welche Lösungen es gibt. Außerdem setzen wir uns auch mit Temu auseinander: Welche Chancen und Risiken es gibt und was wir als Verband sowohl politisch als auch in direktem Austausch mit Temu tun. Natürlich haben wir auch wieder einen Stand; Sie finden uns am Stand 26 (wie 26. April). Herzlich willkommen also auf dem e-Commerce Day 2024 in Köln. Ich freu mich!

Wolfgang Wentzel für den Bundesverband Onlinehandel e.V.

Den BVOH auf dem e-Commerce-Day 2024 in Köln treffen!

Etwas über Streichpreise

Das Thema Streichpreise ist nichts für einen kurzen redaktionellen Artikel, ich versuche es trotzdem. Ausgangspunkt ist § 11 PAngV.

Frage nach der Angabe des Referenzpreises

Die Frage war, ob auch der Referenzpreis anzugeben sei. Damit ist gemeint, dass nicht nur ein Preis durchgestrichen wird (der Referenzpreis), sondern, ob auch noch anzugeben sei, dass es sich mit diesem – dem durchgestrichene – Preis um den niedrigsten Preis der letzte 30 Tage handelt.

Hier hat das LG Düsseldorf in der letzteinschlägigen Entscheidung (38 O 144/22) gesagt: Nein.

Nach Auffassung des Landgerichts Düsseldorf verpflichtet § 11 PAngV den werbenden Händler ausschließlich zur rein betragsmäßigen Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage – das dürfte der durchgestrichene Preis sein. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, diesen Referenzpreis in bestimmter Weise zu bezeichnen oder durch Erläuterung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um „den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage“ handelt, dürfte nach dieser Entscheidung nicht bestehen.

Was ist mit der UVP, der „unverbindlichen Preisempfehlung“?

Eine weitere Frage könnte sein, ob der Händler ausschließlich den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage darzustellen hat oder ob er die „unverbindliche Preisempfehlung“ (UVP) zusätzlich dazu auch noch darstellen darf. Die UVP könnte ja auch ein weiterer Referenzpreis sein; allerdings in die andere Richtung, der Logik der Werbung mit Tiefpreisen nach.

Etwas zu Abkürzungen

Bei dieser Gelegenheit eine Anmerkung zum Thema Abkürzungen. Sie funktionieren nur im jeweiligen Systembereich. Für den Verwaltungsrechtler ist „UVP“ ganz klar die Unweltverträglichkeitsprüfung. Das „AT“ ist für den Juristen der Allgemeine Teil, etwa des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Strafgesetzbuches; der „BT“ dann der Besondere Teil. Für den Theologen ist „AT“ das Alte Testament. Natürlich sind diese Abkürzungen „eingeführt“ (im jeweiligen Systembereich). Sicher hat sich Google inzwischen auch etwas an Abkürzungen gewöhnt und kann den Zusammenhang erkennen. Trotzdem bleiben dann AT oder UVP mehrdeutig. Daher die Anregung, ob es für das Gefundenwerden nicht besser wäre, hin und wieder einmal eine Abkürzung auszuschreiben. Es wissen auch nicht alle Verbraucher, dass „OVP“ originalverpackt heißt oder in Originalverpackung. Und es hat – wettbewerbsrechtlich – die Frage immer noch nicht ganz den Raum verlassen, inwieweit die Verwendung von Abkürzungen etwa dem Verbraucher gegenüber irreführend sein können und möglicherweise deshalb sogar rechtswidrig. Aber dieses Fass will ich hier gar nicht aufmachen. Interessant wird es dann bei der – verpflichtenden – Angabe von Fundstellen …

Zurück zur Sache

Die Frage ist also, ob der Händler nur den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage darzustellen hat oder ob er darüber hinaus auch noch den UVP darstellen darf.

Der Händler muss den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage angeben. Wie viele höhere Preise – z.B. die „unverbindliche Preisempfehlung“ – er in diesem Zusammenhang darstellt, dürfte keine Rolle spielen. Demnach dürfte der Händler auch die „UVP“ angeben. Er muss sich dann natürlich auch an die Regeln der Darstellung der UVP halten; kurz gesagt: Die unverbindliche Preisempfehlung muss auch eine solche sein und vor allem nachweisbar, durch Preislisten etwa.

Entspricht der durchgestrichene Preis der unverbindlichen Preisempfehlung, soll mitgeteilt werden müssen, dass der durchgestrichene Preis diese unverbindliche Preisempfehlung sei. Je nachdem, in welche Richtung man diese Konstellation bedenkt, wird man zu dem Ergebnis kommen (können), dass diese Variante entweder wenig praxisrelevant sei. Ist denn die UVP nicht höher? Ist es denkbar, dass die UVP der niedrigste Preis der letzten 30 Tage ist? Oder man wird diese Konstellation sogar für den Paradefall eines durchgestrichenen Preises halten. Der UVP ist durchgestrichen und jetzt gilt der folgende Preis. Dann müsste aber doch die UVP als der durchgestrichene Preis der niedrigste Preis der letzten 30 Tage sein? Wer bitte bietet denn – und sei es auch nur 30 Tage lang – zur „unverbindlichen Preisempfehlung“ an? Aber vielleicht muss man auch nicht jeden Gedanken zu Ende denken.

Sinn und Zweck der Streichpreisregelung

Ich meine, verbotsrelevant bzw. kritisch ist nur die Werbung mit niedrigen Preisen an sich, ohne, dass der Kunde es nachvollziehen und verstehen kann. Der Verbraucher will insbesondere wissen, ob das das, also der durchgestrichene Preis, schon das Billigste ist oder ob es vorher etwa noch billiger war. Deshalb ist „der niedrigste Preis der letzten 30 Tage“ darzustellen.

Ist der aktuelle Preis niedriger als der durchgestrichene – das dürfte der Normalfall dieser Maßnahme sein -, wird sich der Kunde freuen und kaufen. Ist der aktuelle Preis höher als der durchgestrichene, macht das als Werbemaßnahme schon mal wenig Sinn und könnte wegen dieser „Täuschung“ bereits wettbewerbsrechtlich anstößig sein. Aber: Ein interessanter Gedanke.

Wie teuer es hingegen unter Umständen auch mal war (Stichwort UVP), dürfte im Hinblick auf die Pflicht zur Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage irrelevant sein, aber werbewirksam und wohl nicht verboten, wenn der UVP echt ist.

Was ist, wenn es einen noch niedrigeren Preis gibt, z.B. am „Black Friday“?

Stellt man am Black Friday auf die Differenz zwischen höchstem Preis = UVP / Nicht-black-Friday-Preis und jetzigen Preis ab, dann könnte man es schon wieder anders sehen. Aber, wie gesagt, das Gesetz spricht vom niedrigsten Preis der letzten 30 Tage, das dürfte in diesem Beispiel der Nicht-black-Friday-Preis sein, und nicht von Preisdifferenz oder vom Verbot der Angabe höherer Preise (wenn sie „stimmen“). Also im Grunde genommen: Auch am Black Friday einfach die normale Streichpreisregelung anbieten. Oder das versuchen! Aber es sollte schon gelingen …

Verheddern Sie sich nicht! Auch hier dürfte die einfache, klare Aussage die beste sein. Überzeugend und rechtmäßig. Es ist aber wirklich kein einfaches Thema. Und in jedem Falle einer Einzelfallbetrachtung wert.

Manchmal ist es kniffelig

Besonders dann, wenn man mit verbundenen Augen in den Fettnapf tritt, zum Beispiel, wenn man noch nicht weiß, dass „KNIFFEL“ oder „Mensch ärgere Dich nicht“ geschützte Marken sind; gewusst?

Neben den Klassikern, wie „Fön“, „Einweckglas“, „Knirps“ (Registrierung abgelaufen) & „Tempos“, wären dann zum Beispiel auch noch: „PEARL“, „profitec“, „SAM“, „Da Vinci“, „Sansibar“ oder „Herrnhuter Stern“.

„EXTREM“ z.B. ist auch für allerlei als Marke geschützt, u.a.:

Insofern bitte in einschlägigen Produktbeschreibungen besser vermeiden!

Natürlich, nicht zu vergessen: Das „Bummsinchen“

Und die Farbe gelb oder ein roter Punkt

„Bummsinchen“

ist eine eingetragene europäische Marke! Wussten Sie’s? Dann schauen Sie mal hier!

Mandant wurde wegen eines Türstoppers abgemahnt, wir haben modifiziert Unterlassung erklärt.

Das DPMA hat eine entsprechende Anmeldung übrigens zurückgewiesen und „Bummsinchen“ nicht eingetragen, wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und wegen beschreibender (freihaltungsbedürftiger) Angabe gem. (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).

Zwei Ämter, zwei Meinungen! Aber jedenfalls eine valide Eintragungsurkunde. Schwieriges Thema. Aber der Streit um die Rechtmäßigkeit der Abmahnung war genau das, was wir aus Kostengründen vermeiden wollten. Es wäre wohl auch schwierig mit dem Einwand fehlender Unterscheidungskraft und beschreibender Angabe, wenn das EUIPO eintrug und das DPMA nicht. Wieder ein klassischer Fall von zwei vertretbaren Meinungen. Aber woher weiß ich, welcher sich das Gericht anschließen wird, wenn ich es streitig stelle? Ist das EUIPO „höherwertiger“ als das DPMA? Unionsmarkenverordnung und Markengesetz sind vollharmonisiert. Eigentlich müsste eine nach dem Markengesetz gebildete Einrede dann ebenfalls der UMV entgegenzuhalten sein, eigentlich! Genau so gut kann aber aus der nach MarkenG gebildeten Einrede eine eingebildete Rede im Hinblick auf UMV und EUIPO werden. Ich höre es förmlich schon: „Der Streit kann dahinstehen, jedenfalls ist die Marke beim EUIPO eingetragen“. Und sicher ist es gut vertretbar, bei zwei vertretbaren Meinungen, diejenige mit dem niedrigerem Risiko zu wählen bzw. die Sache kaufmännisch zu lösen. Interessante Fragen jedenfalls! Auch, weil das Risiko aus einer Unterlassungserklärung nicht von ohne ist.

Der rote Punkt

Und hier einmal der Bericht über ein Verfahren, das ich leider nicht gewonnen habe; ein Fall aus dem Jahr 2018.

Da gibt es doch tatsächlich Jemanden, der sich einen roten Punkt hat schützen lassen; Sie glauben das nicht? Warten Sie es ab oder schauen Sie mal hier!

Die Markeninhaberin mahnte den Mandanten ab, der eine Thermoskanne mit einem länglich-ovalen Knopf anbot, den die Markeninhaberin als Gestaltung eines roten Punktes ansah und deswegen dagegen vorging. Ich gab – und das ist nun wirklich etwas ganz besonderes bei mir – eine modifizierte Unterlassungserklärung für den Mandanten ab; wir verweigerten jedoch die Erstattung der Abmahnkosten, um dann wenigstens in Gestalt des Kostenstreites die Frage der Rechtmäßigkeit der Abmahnung gerichtlich überprüfen zu lassen. Beim geringerem Prozesskostenrisiko.

Der nichtdeutsche Lieferant versuchte, uns beizustehen, indem er die strittigen Produkte vom Markt nahm, war jedoch nicht bereit, dem Mandanten die Abmahnkosten zu erstatten, berief sich auf die Geschäftsfreiheit und sah den von der Gegenseite angesetzten Streitwert von 50.000 Euro als übersetzt an.

Die Markeninhaberin ließt Klage auf die Abmahnkosten erheben. Wir haben dann zunächst dieses Hersteller-Schreiben vorgelegt. Ich hatte bestritten, dass sich auf den Kannen der Klägerin ein Design befindet, dass einem „roten Punkt“ entspräche, weil alle von der Klägerin vorgelegten Unterlagen die Kannen nur von der Seite zeigen. Und ich hatte versucht, einige Gegenargumente zu formulieren:

Eine Ausgießvorrichtung ist doch kein Punkt!

So hatte ich mathematisch-geometrisch argumentiert, dass ein Punkt qua definitionem der Schnittpunkt zweier Geraden sei, mithin eine eindimensionale kreisrunde Figur. Beanstandet sei jedoch eine Kanne mit Ausgießungsvorrichtung („länglich-ovaler Knopf“). Selbiger sei ein dreidimensionaler, nach Länge, Breite und Höhe definierter Gegenstand. Zudem – von oben betrachtet – ein Rechteck, welches an zwei Seiten, die zueinander planparallel verlaufen, gerade sei. An den anderen zwei Seiten abgerundet; wobei die Kurven in unterschiedlichen Radien verlaufen, nämlich links sehr flach, rechts im engeren Radius und nach oben abgewinkelt. Mithin sei das Design an der beanstandeten Kanne kein roter Punkt. Sondern ein rotes Rechteck mit zwei runden Seiten.

Zudem machte ich geltend, dass der Kläger kein Geschmacksmuster (oder Design) geschützt habe, sondern eine Bildmarke. Die vom Beklagten verkaufte Kanne stelle keine markenmäßige Benutzung dieser Bildmarke dar, zumal das Design der Ausgießvorrichtung beim Beklagten rechteckig sei.

Streit gehört zwischen Rechteinhaber und Hersteller (nicht: Händler)

Ich vertrat die Ansicht, dass die Abmahnung unberechtigt sei, weil sie sich als ungerechtfertigte Abnehmerverwarnung darstellen würde (vgl. BGH, Urteil v. 21.12.2005, X ZR 72/04).

Der Hersteller habe der Klägerin mitteilen lassen, dass er sich aus dem Verkauf der strittigen Artikel zurückgezogen habe und es unterlassen werde, an Thermosflaschen Aufmachungen zu verwenden, die einen rotem Druckknopf am Deckel aufweisen würden.

Der Hersteller hatte auch die gesamte Verantwortung auf sich genommen, indem er erklärte:

„Die Firma … erklärt  ebenfalls, dass sie bei der Herstellung, dem Verkauf oder dem Import o.g. Thermosflaschen nicht mit anderen Unternehmen zusammenarbeitet.“

Der Hersteller hat sich ebenfalls dazu verpflichtet, keine Wirtschaftstätigkeit im Hinblick auf das Angebot und den Verkauf von mit einem roten Punkt gekennzeichneten Produkten gemäß der eingetragenen Bildmarke auszuführen.

Ich nahm an, dass sich mit der Intervention des Herstellers ein – ggf. zwischen Markeninhaber und Hersteller bestehender – Rechtstreit auf gütlichem Wege erledigt oder der Markeninhaber den Hersteller daraufhin gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen habe. – Dahinter steht auch der Gedanke, dass ich der Ansicht bin, dass derartige Auseinandersetzungen zwischen Markeninhaber und Hersteller geführt gehören und nicht zwischen Markeninhaber und Händler!

In beiden Fällen sei meiner Ansicht nach die Abmahnung meines Mandanten als gegenstandslos anzusehen. Im ersten Fall, weil sich der Hersteller gegenüber der Markeninhaberin auf gütlichem Wege dazu verpflichtet hätte, diese Kannen aus dem Verkehr zu ziehen. Im zweiten Fall, weil der Hersteller gerichtlich dazu gezwungen worden wäre. Habe die Markeninhaberin – im Falle zwei – ein gerichtliches Verfahren gegen den Hersteller sogar verloren, dann wäre die Abmahnung meines Mandanten erst recht rechtswidrig.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Streitwert mit 50.000 Euro veranschlagt werde. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Sache einen über 1,3 hinausgehenden Gebührenansatz erfordern solle. Der Klägervertreter berief sich auf „zahlreiche ähnlich gelagerte Verfahren“. Daraus sei zu entnehmen, dass es für ihn keine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit erforderte würde, die gegenständliche Abmahnung zu versenden. Ein solcher Streitwert mag gegenüber einem Hersteller angemessen sein. Nicht aber gegenüber einem Händler.

Es befremde zudem, dass nach Eintragung der Marke des Klägers, für die er Verkehrsdurchsetzung beanspruche, nunmehr alles zu unterlassen sei, was auch nur annäherungsweise oder im entferntesten mit einem roten Punkt zu tun habe.

Sieht das nicht aus wie die Staatsflagge von Japan?!

Die Abmahnung sei als Abnehmerverwarnung rechtswidrig, weil die Marke löschungsreif sei. Es bestünde ein absolutes Schutzhindernis, das nicht durch Verkehrsdurchsetzung überbrückt werden könne: Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG seien Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen enthalten. Die Marke sei die Flagge Japans, mithin eine Staatsflagge. Wer sie nicht kennt, kann das bei Wiki nachlesen. Das hielt ich, ehrlich gesagt, für mein stärkstes Argument.

Was meinen Sie?

Abbildung 1: https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/396106692/DE

Abbildung 2: https://de.wikipedia.org/wiki/Flagge_Japans

Ich hatte mich sogar mit einem Schreiben an seine Exzellenz, dem außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter von Japan mit der Bitte um Unterstützung gewandt:

„Wir ersuchen Sie, es in Erwägung zu ziehen, uns mit einer schriftlichen Note beizustehen, die gegebenenfalls dahin lauten wolle, dass Ihr Haus nicht darüber erfreut sei, dass sich die Flagge Japans überhaupt beim Deutschen Patent- und Markenamt als Handelsmarke eingetragen findet, dass daraus zugunsten des Eintragenden kein Kapital geschlagen werden solle und dass derartiges im Hinblick auf Artikel 20 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 überhaupt besser unterbleiben solle.“

Jedenfalls könne die Löschungsreife dem Klageanspruch in diesem Falle entgegengehalten werden, weil es sich um ein absolutes Schutzhindernis handele, das von der beanspruchten Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG ausdrücklich ausgenommen sei. Wie die Flagge Japans aussieht, dürfe als offenkundig gemäß § 291 ZPO angesehen werden. Die Marke entspräche eins zu eins der Staatsflagge Japans. Ich hatte dann auch noch Löschungsantrag beim DPMA gestellt und beantragt, dass Abmahnkostenverfahren bis zur Bescheidung desselben auszusetzen.

Anderer Ansicht: Landgericht Hamburg

Ich bin mit all dem nicht durchgedrungen; das Landgericht Hamburg war ganz anderer Ansicht!

„Die Klagemarke enthält nicht die Staatsflagge Japans. Gegenstand der Klagemarkendarstellung ist lediglich ein roter Punkt, nicht indes dessen Hintergrund und letzterer insbesondere nicht in der Form eines weißen Rechteckes, in der ein roter Punkt mittig zentriert angeordnet ist.“

LG Hamburg, Urteil vom 25.04.2019, 327 O 380/18

„Der rotfarbige Druckknopf der Gestaltung gemäß Anlage … ist bei Draufsicht von oben ovalförmig und weicht damit nur geringfügig von der Klagemarkengestaltung ab. Aus anderen Perspektiven erscheint er zudem rund.“

LG Hamburg, a.a.O.

Was ward aus dem Löschungsantrag?

Gegenüber dem DPMA hatte ich geltend gemacht, dass die Umgebungsfläche in der Markendarstellung in der Eintragungsurkunde weiß sei. Und die Eintragungsurkunde als öffentliche Urkunde eine gesteigerte Beweiskraft dahingehend genösse, dass sie die Vermutung ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit in sich trage, § 415 ZPO. So dass auf der Eintragungsurkunde die Staatsflagge Japans abgebildet sei. Das werde man doch vernünftigerweise nicht bestreiten können. Denn das sei doch ganz offensichtlich. Wenn Sie nun auch noch wissen wollen, wie „erfolgreich“ mein Löschungsantrag war, dann schauen Sie ins Register.

„Manchmal fängst du den Bären und manchmal fängt der Bär dich!“

(„Star Trek“, Paramount Pictures/Paramount Global, bzw. „The Big Lebowski“, PolyGram/UIP und Universal)

Alternative Lösung

Man kann es natürlich auch so lösen: Für einen anderen Mandanten von mir, der eine solche Kanne direkt vom (inländischen) Hersteller bezogen hatte, kümmerte sich dieser – auch kostenmäßig – selbst um die Angelegenheit, so dass ich der Gegenkanzlei mitteilen konnte:

„Meine Mandantin hat sich an den Hersteller der von meiner Mandantin angebotenen Isolierkannen, die Firma H. gewandt und von dieser die Antwort erhalten, dass sich die Rechtsabteilung des Herstellers H. in dieser Angelegenheit direkt mit Ihrer Mandantschaft in Verbindung setzen wird.“

Damit war die Sache für den Mandanten und für uns ausgestanden.

Ohne Bären.

Die Farbe Gelb

Ein Plädoyer für das Ersatzteilprivileg aus § 23 Nr. 3 MarkenG

Kennen Sie das, dass einige Unternehmen ganz bestimmte Farben für sich reklamieren? Und sich insoweit vielleicht sogar haben schützen lassen? Also ich jedenfalls denke dabei z.B. an die Farbe Gelb im Zusammenhang mit einem überseeischen Hersteller von Apparaten zur Aufnahme von Photographien; mit N. Oder an eine, vielleicht als „Staatskonzern“ wahrgenommene Unternehmung, die mit long distance calls, Ferngesprächen, genauer, mit der Technik zur Ermöglichung solcher, zu tun haben könnte und einen verbal schier unbegreiflich beschreibbarem Ton eines blass-kräftigen Lilas; im Farbton M.

Nun ja, die „Gelben“ hatten den Mandanten verklagt, der Ersatzteile für derartige Apparate im Internet offerierte. Er solle es unterlassen, solche Produkte anzubieten, auf denen die Marke „N.“ stünde, „insbesondere, aber nicht darauf beschränkt“, in der „Farbstellung schwarz/gelb“; Grüße an Dynamo Dresden oder auch an unsere Landeshauptstadt selbst gehen raus.

Der Mandant bot Ersatzteile für derob gelbe oder schwarz-gelbe Apparaturen an. So auch eine Fernbedienung „für N.“. Als Ersatzteil; gekennzeichnet durch das entscheidende Wörtlein „für“. Sie kennen das. Ein Ersatzreifen „für“ einen Personenkraftwagen einer bestimmten Marke, muss nicht derselben Marke sein wie das Automobil, sondern kann – durchaus – auch anderer Marke sein. N. führte seine Markeneintragung ins Feld und die Farbe gelb; genauer die Farbstellung schwarz-gelb.

Da war eine Lanze zu brechen für das Gesetz!

„Der Inhaber einer Marke darf einem Dritten nicht untersagen, im geschäftlichen Verkehr die Marke zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil erforderlich ist.“

§ 23 Nr. 3 MarkenG, auszugsweise, Hervorhebung von mir

Und so argumentierte ich dann auch, hart am Gesetz.

Die Klage sei unbegründet.

Der Händler könne sich hier mit Erfolg auf die Einrede aus § 23 Nr. 3 MarkenG
(Ersatzteilgeschäft) berufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen dazu seien gegeben.

Der Mandant stelle prominent, mehrfach und ausdrücklich klar, dass es sich bei dem beanstandeten Angebot um ein nach § 23 MarkenG zulässiges Ersatzteilgeschäft handele. Da der Händler die von der Klägerin reklamierte Marke nur als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, soweit die Benutzung dafür notwendig ist, benutzt, habe die Klägerin nicht das Recht, der Benutzerin diese Benutzung im geschäftlichen Verkehr zu untersagen, § 23 MarkenG.

Die Notwendigkeit der Markenbenutzung fürs Ersatzteilgeschäft

Der Einwand aus § 23 Nr. 3 MarkenG ist rechtlich dadurch begrenzt „soweit die Benutzung dafür notwendig ist“. Damit ist gemeint, dass die Marke für das eigene Ersatzteil (das nicht dieser Marke angehört) nicht ausgebeutet werden darf. Sondern, dann aber legitimerweise, nur soweit für das Ersatzteilgeschäft „notwendig“, in Bezug genommen werden darf.

Der Händler schrieb bereits in der Artikelüberschrift „für“ (N.). Damit stelle er klar, dass es sich bei der von ihm (für eine N.-Kamera) angebotenen Fernbedienung nicht um ein Teil „von“ N., also nicht um ein/das Markenprodukt, sondern um ein Ersatzteil „für“ eine N.-Kamera handele.

Diese Notwendigkeit sei mithin vorliegend gegeben. Der interessierte Käufer wird nämlich nach einen Ersatzteil zu „seiner“ Marke (also der Marke des Kaufinteressenten, zu der das Ersatzteil gesucht wird) suchen. Insoweit sei die Angabe der Marke auch notwendig, weil der Kunde sonst nicht verifizieren könnte, ob die Fernbedienung auch tatsächlich mit „seinem“ N.-Markengerät zusammen einwandfrei korrespondiert, also funktioniert. Das wäre z.B. dann nicht der Fall, wenn der Kunde ein z.B. S.-Gerät oder ein C.-Gerät hätte. Nur für eine N.-Kamera würde diese Fernbedienung funktionieren.

Was ist ein Ersatzteil?

Es läge mit dieser Fernbedienung auch ein Ersatzteil vor. Kennzeichen eines Ersatzteils sei es, dass damit substanziell etwas – ein Teil des Ganzen bis hin zum ganzen Gerät – „ersetzt“ wird, denken Sie nur an ein „Ersatz-Wagen“ oder „Werkstattersatzwagen“ oder einen „Ersatz-ICE“, einen „Ersatz-Reifen“ im Hinblick auf den damit ersetzten „Original“-Reifen – ganz zu schweigen vom „Ersatz-Rad“ – und so weiter! Ferner muss dieses Teil ein ursprünglich vorhanden gewesenes Teil bzw. das Ganze „ersetzen“ oder die ursprüngliche Funktion erweitern können, denken Sie an Winterräder oder Winterreifen. Obwohl letzterer Gedanke auch schon etwas in Richtung Zubehör läuft.

Beide Voraussetzungen waren erfüllt. Eine Fernbedienung zu einem Fotoapparat ist ein diesem dienendes Teil von nachgeordnetem Rang. Die Fernbedienung ersetzt sowohl eine möglicherweise ursprünglich zur Originalkamera vorhandene; und die Fernbedienung erweitert auch den Anwendungsbereich, ohne die ursprüngliche Eigenschaft der Kamera zu verändern. Mithin liegt ein Ersatzteil vor. Wenn die Fernbedienung kein Ersatzteil wäre, etwa, weil sie von N. z.B. ursprünglich nicht dafür vorgesehen war, würde sie dem Begriff des Zubehörs unterfallen. Aber auch der Zubehörhandel ist von § 23 Nr. 3 MarkenG geschützt.

In der Artikelbeschreibung wurde der Passus „für“ (N.) wiederholt. Das geschah sehr prominent, nämlich bereits eingangs der Artikelbeschreibung, im Fettdruck, im Großdruck, in Schwarz statt dem dort vorherrschenden Grau sowie unterstrichen.

Definition von Ersatzteil (und Zubehör)

Was sind denn nun aber eigentlich „Ersatzteile“ und „Zubehör“ dogmatisch? Der Kommentar formuliert es so (Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 23 Rn. 113):

„Zubehör oder Ersatzteil für eine andere (Haupt-) Ware“.

Hier ist „Haupt“ schon mal eingeklammert. Während beim Zubehör relativ klar ist, dass Zubehör eine „kleine“ vervollständigende Teilkomponente innerhalb einer größeren Summe weiterer Komponenten ist, die zusammen eine Hauptsache bilden; ohne die die Hauptsache unvollständig wäre („du vervollständigst mich“); welche die Hauptsache notwendigerweise oder nützlicherweise vervollständigen oder ergänzen (rechtshistorisch aus § 97 BGB); ist beim Ersatzteil nicht definitorisch determiniert, dass es ein „kleines“ in Bezug auf eine Hauptsache oder Muttersache sein müsse (das ist nämlich schon das Zubehör), sondern das Ersatzteil kann auch größere Komponenten, bis hin zur Hauptware an sich, ersetzen. Z.B. Ersatz-ICE, Werkstattersatzwagen, Ersatzschirm. Deshalb schreibt Thiering auch völlig zu Recht das „Haupt“ in Klammern.

Ganz unbestritten ist z.B ein Wasserfilter ein Zubehörstück für einen Trinkwasserspender oder eine Kaffeemaschine oder eine Meerwasserentsalzungsanlage. Aber er ist eben auch ein Ersatzteil, und zwar sowohl im Hinblick auf das Gerät, mit dem es korrespondiert, als auch im Hinblick auf das originale Teil, also meinethalben irgendeinen Filter, weil es diesen ersetzt. Vielleicht auch, weil diese Ersatzteile kürzere Lebenszyklen haben (als die Haupt- oder Muttersache), sich also nacheinander im Dienste abwechseln, wobei ein originales Teil dann durchaus auch einmal durch ein nichtorginales abgelöst werden kann, die – gleichwertigen – Ersatzteile sich also in ihren Zyklen untereinander abwechseln, mithin einander ersetzen.

Das macht auch der Bundesgerichtshof in seiner „ersetzt“-Entscheidung (BGH, Urt. v. 2. Oktober 2002 – I ZR 90/00) ganz deutlich, nur dass es dort noch um die „Ersatzteilnummer“ (des „Erstausrüsters“) geht, während die Hersteller bisweilen nun sogar schon eigene Marken für ihre „eigenen“ Ersatzteile registrieren lassen; stellen Sie sich das nur einmal vor! Die Konstellation (Ersatzteilnummer dort; Eigenmarke für das Ersatzteil hier) ist jedoch absolut vergleichbar. Denn die dort wie hier heranzuziehenden Rechtsgrundsätze (etwa die der vergleichenden Werbung), sind die allerselben, nämlich „Partizipation am fremden Ruf“. Es ist also in beiden Fällen gleich, nämlich als zulässig, zu beurteilen, wenn dort ein „ersetzt [Ersatzteilnummer]“ verwendet wird und hier ein „ersetzt [Herstellereigenmarke]“ – weil beides lediglich (ohne weitere Umstände!) und zulässig Partizipation am fremden Ruf darstellt.

Nach alldem ist ein Ersatzteil zu definieren als ein solches, das eine andere Ware „ersetzt“, wobei diese andere Ware eine „Hauptware“ sein kann, aber nicht muss. Dies, weil Thiering das „Haupt“ mithin völlig zu Recht einklammert, denn das bezieht sich auf das Zubehör, nicht aber auf das Ersatzteil; ferner, weil der BGH in „ersetzt“ davon ausgeht, dass das nichtoriginale Ersatzteil das originale Ersatzteil ersetzen darf; und eben aus der Abgrenzung zwischen Zubehör, welches eine Angehörigkeit zur oder Abhängigkeit von der Hauptsache aufweisen darf, und Ersatzteil, dessen „ersetzen“-Eigenschaft unabhängig von der Mengenlehre/Größenlehre ist, also der Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebensache, und sich damit eben auch auf ein gleichwertiges zu ersetzendes Teil beziehen kann. Sonst wären im Übrigen auch all die Ausführungen zum Vergleich wesentlicher, relevanter, nachprüfbarer und typischer Eigenschaften der Erzeugnisse i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG in der „ersetzt“-Entscheidung des BGH nicht veranlasst, denn diese beziehen sich auf einen Vergleich „gleichwertiger“ Teile (nicht: Nebensache zu Hauptsache), also dem Vergleich eines originalen Ersatzteils mit einem nichtoriginalen Ersatzteil.

Der Verweis auf die eigene Marke

Sodann war – im Fall um die Farbe Gelb – ausgeführt: „kein Originalprodukt – Qualitätsware aus dem Hause [Hausmarke des Mandanten]“. Hierdurch wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der angebotenen Fernbedienung nicht um ein Originalprodukt (der Marke N.) handelt. Darüber hinaus war auch gesagt, was – außer, dass es kein N. ist – hier angeboten wird, nämlich ein Produkt aus dem Hause „xyz“; das war das des Mandanten.

Darunter stand im beanstandeten Angebot zu lesen „ersetzt folgendes Original Produkt“. Hier wurde ganz klar und deutlich die Ersatzteileigenschaft der angebotenen Fernbedienung herausgearbeitet, indem klargestellt wurde, dass diese Ersatzfernbedienung bestimmte (dann nachher genannte) Original-Produkte zu ersetzen vermag. Es was expressis verbis, ausdrücklich, gesagt, dass ein Ersatzteil und kein Original-Produkt vorliege. Zur Notwendigkeit für den Käufer, zu wissen, zu welchen Original-Kameras diese Ersatzfernbedienung passt, wurde schon einiges gesagt. Diese Angabe war mithin „notwendig“ im Sinne des Gesetzes, damit der Käufer erkennen kann, ob das Ersatzteil auch zu seinem Haupt-Teil „passt“, vor allem technisch, dass also gerade diese Ersatzfernbedienung eine bestimmte, vom Verkäufer deshalb nennbare, Original N. Kamera auszulösen vermag und nicht das Garagentor des Nachbarn.

War das wirklich notwendig?

Eine Kontrollüberlegung macht deutlich, dass die Angaben des Händlers tatsächlich „notwendig“ im Sinne von § 23 MarkenG waren. Würde er auf die Nennung der Marke verzichten müssen und etwa nur schreiben dürfen „Fernbedienung, passend zu einer Kamera einer bekannten und berühmten Marke“, dann wäre die Bestimmung der Fernbedienung, Ersatzteil (oder Zubehör) nicht hinreichend klar. Das Publikum wüsste nicht, was die „bekannte oder berühmte Marke“ sein könnte. Es müsste raten (dazu gibt es vielleicht das Widerrufsrecht im Fernabsatz :). Passt die Fernbedienung zu einer C.-Kamera oder zu einer P.-Kamera oder vielleicht doch nur zu einer E.-Kamera? Deshalb muss die Beklagte sagen dürfen, dass es sich um ein Ersatzteil handelt, dass zu einer N.-Kamera passt!

Beschriftung des Ersatzteils selbst

Auch auf der Ersatzfernbedienung selbst darf unserer Ansicht nach noch einmal „für“ („for“) N. stehen. Auch diese Angabe ist im Lichte des Vorgenannten notwendig im Sinne des Gesetzes. Das Ersatzteil muss so gekennzeichnet sein, dass seine Zuordnung klar ist, damit auch die richtige Kamera ausgelöst wird. Wenn der Kunde z.B., wie nicht unüblich, mehrere Kameras besitzt, die noch dazu von verschiedenen Herstellern stammen, S., C., P. u.s.w.; dann muss der Kunde erkennen können, welche dieser Kameras durch die gekaufte Ersatzfernbedienung ausgelöst wird, weil es ansonsten zu Fehlfunktionen kommen kann (oder dazu, dass sich versehentlich der Tresor öffnet). Durch den Einsatz des Wortes „für“ war klargestellt, dass es sich um ein Ersatzteil „für“ ein bestimmtes Originalteil handelt. In welcher Farbe jedoch diese Beschriftung ausgeführt werden könnte, das war nun der spannende Punkt! Wir kommen darauf zurück.

Was ist mit einer Produktfotografie?

Ein Lichtbild mit der abgebildeten Ersatzfernbedienung im Angebot stand zudem nicht isoliert werbend im Raum, sondern war vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Artikelbeschreibung und weiteren Angaben im Netz, im Angebot des Händlers, auffindbar, wo zusätzlich, mehrfach, prominent und mithin ausreichend klargestellt war, dass es sich um eine Ersatzteil zu einem Markengerät handelt, welches aber selbst nicht dieser Marke zugehörig ist.

Markenhersteller wollen den Ersatzteilmarkt selbst bespielen

Natürlich ist es das – sagen wir mal: ein Stück weit – nachvollziehbare Anliegen eines jeden Markenherstellers, nur selbst Ersatzteile für seine Markengeräte zu produzieren, um diesen Umsatz allein für sich verbuchen zu können. Der freie Handel erlaubt es aber in unserem Land, dass auch Ersatzteile für Markengeräte produziert werden dürfen, welche nicht vom Markeninhaber selbst sind. Und § 23 Nr. 3 MarkenG schafft den rechtlichen Rahmen dafür, dass die Bestimmung einer Ware, ein Ersatzteil zu sein, durch die insoweit gerechtfertigte Benutzung einer Marke auch publiziert, benutzt werden darf.

Der Mandant verletzte auch die engen Grenzen nicht, die § 23 MarkenG zieht („soweit … notwendig ist“), denn dieser Händler stellte häufig und deutlich dar, dass es sich um ein Ersatzteil und nicht um ein Originalteil handelt. Der Käufer kann, wie gesagt, das Ersatzteil nicht gebrauchen, wenn ihm nicht mitgeteilt wird, zu welchem Originalteil das Ersatzteil passt.

Nichtoriginales Ersatzteil ersetzt originales Ersatzteil

Die Notwendigkeit der Angabe des Originalteils besteht sogar in doppelter Weise. Einmal ersetzt eine Ersatzfernbedienung ja eine originale Fernbedienung (in diesem Fall der Marke N.). Das darf auch gesagt werden! Zum zweiten korrespondiert diese Ersatzfernbedienung nur mit einem Original N. Kameragerät; eine S.-Kamera vermag die Fernbedienung nicht auszulösen. Damit besteht wiederum und zum zweiten das Bedürfnis, mitteilen zu müssen – und im Rahmen von § 23 MarkenG dann auch zu dürfen -, dass es sich um ein Teil „für“ N. handelt.

Was den Handel so ausmacht; die „Freiheit, die ich meine“

Freiheit, die ich meine“ (Max von Schenkendorf), ein politisches Gedicht

Es besteht auch ein Bedürfnis für den – freien! – Handel mit diesem, wie auch jedem anderen Ersatzteil. Denn anders als etwa eine Kamera selbst, ist eine Fernbedienung (als ein gegenüber der Kamera nachgeordnetes, dienendes Teil) einem höherem Verschleiß unterworfen: Sie liegt herum im Handschuhfach, geht möglicherweise schneller verloren etc., weil auf die Fernbedienung weniger Acht gehabt wird, als auf die Kamera selbst. Daher besteht eine durchaus berechtigte Nachfrage nach diesem Ersatzteil. Damit der Käufer es auch für seine, die richtige Kamera kauft, darf die Beklagte angeben, zu welchen Originalgeräten die von ihr angebotene Fernbedienung passt.

Das Verb „ersetzen“ impliziert eine gewisse „Ersatzbedürftigkeit“; denken Sie vielleicht abschließend noch einmal an den Ersatz-ICE der Deutschen Bahn. Und ich muss auch an Kardinal Galen (Ambos oder Hammer) denken; aber das wäre nun wirklich ein völlig anderes Thema. Und es wäre dann auch die Farbe Rot, Kardinalsrot, also Purpur.

Wie ging denn nun die Sache mit der Fernbedienung aus?

Gut, für uns. Mit einem Vergleich. Und einer Kostenquote, nach der die Marke 3/4 und unser Händler nur 1/4 zu tragen hatten. Wir hatten also zu drei Vierteln gewonnen! Der Händler war bereit, darauf verzichten, den Schriftzug auf der Fernbedienung in der Farbe Gelb anzubringen; obwohl die Kammer (Landgericht Düsseldorf, 2a O 271/13) in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hatte, dass die Marke diese Farbe wohl doch nicht nur so ganz für sich allein beanspruchen dürfe, angesichts des Ersatzteilprivilegs. Im Übrigen darf der Mandant seine Fernbedienung auch weiterhin als Ersatzteil „für“ diese Marke offerieren.

Das ist die Freiheit, die ich meine!

Staubsaugerdüsen

Über die wettbewerbliche Eigenart einer Staubsaugerdüse; zugleich auch ein Beitrag zum Ersatzteilgeschäft / Ersatzteilprivileg aus § 23 Nr. 3 MarkenG

Kennen Sie das W.-Werk aus R.? Nein? Nun, Sie würden es aller Voraussicht nach auch dann nicht kennen, wenn ich den Namen, wie aus verständlichen Gründen hier, nicht abkürzen würde. Das W. hielt die vom Mandanten angebotenen Staubsaugerdüsen für unerlaubte Nachahmungen seiner Staubsaugerdüsen, zweier im Verfahren näher benannter Modelle. Zur Begründung berief es sich auf §§ 3, 4 Nr. 3a) und b) UWG, also auf eine vermeintliche vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft seiner Düsen und eine unangemessene Ausnutzung respektive Beeinträchtigung der Wertschätzung der von ihm geschätzten selbigen. Und beantragte eine einstweilige Verfügung gegen den Mandanten. Die es bis vors OLG Düsseldorf nicht bekommen hat! Aber der Reihe nach.

Das Landgericht in Düsseldorf ließ den vermeintlich beeinträchtigten Düsenerzeuger schon eingangs mit ziemlich eindeutigen Worten abblitzen:

„Der Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege kommt nicht in Betracht. Es bestehen erhebliche Zweifel an der wettbewerblichen Eigenart der Staubsaugerdüse R…. Es ist fraglich, ob Endverbraucher mit der äußerlichen Gestaltung von Staubsaugerdüsen überhaupt eine Vorstellung von der betrieblichen Herkunft der Düsen entwickeln. Ungeachtet der Tatsache, dass der äußeren Gestaltung der R… allenfalls ein geringer Grad an wettbewerblicher Eigenart zukommt, kommt hinzu, dass zweifelhaft ist, ob die Düsen überhaupt einen Rückschluss auf ihre betriebliche Herkunft ermöglichen, da sie unter Kennzeichnungen verschiedener bekannter, größerer Unternehmen (B…, S…) veräußert werden. Die Endabnehmer werden daher davon ausgehen, dass die Düsen von verschiedenen Herstellern stammen. Auch wenn Herstellerin dieser Düsen tatsächlich die Antragstellerin sein sollte, dürfte diese für den Endabnehmer durch den Hinweis „powered by W.“ auf der Produktverpackung nicht deutlich werden. Der Vortrag, auch die Düse selbst sei mit einer Marke der Antragstellerin ausgestaltet, ist ohne Substanz, da entsprechende Abbildungen, aber auch Muster der R… oder der angegriffenen Ausführungsform nicht vorliegen.

Soweit die Antragstellerin auf das Verständnis der Großhändler und Staubsaugerhersteller abstellt, mag eine wettbewerbliche Eigenart gegeben sein allerdings dürfte es an einer vermeidbaren Herkunftstäuschung fehlen, weil die mit den Formen und Marken der Hersteller vertrauten Verkehrskreise aufgrund der Rundung des zentralen Gehäuses für den Rohranschluss unschwer erkennen können, dass das Verletzungsprodukt nicht von der Antragstellerin stammt. Zudem fehlt es an der typischen Kennzeichnung mit der Marke der Antragsgegnerin. Im Übrigen ist fraglich, ob die Parteien in dieser Hinsicht im Wettbewerb stehen. …“

LG Düsseldorf, (Hinweis-) Beschluss vom 02.03.2021, Az. 4b O 17/21

Der Antragstellerin wurde aufgegeben mitzuteilen, ob denn überhaupt Termin anberaumt werden solle, ohne den die Kammer nicht entscheiden würde. Das W.-Werk wollte seinen Termin und dieser wurde schriftsätzlich umfänglich vorbereitet. Hier hatte ich dann Gelegenheit, unsere Sichtweise auf die Dinge, die da Staubsaugerdüsen waren, darzulegen. Und das tat ich dann auch:

Über die wettbewerbliche Eigenart einer Staubsaugerdüse

„Die Staubsaugerdüse R… verfügt nicht über wettbewerbliche Eigenart. Endverbraucher verbinden mit der äußerlichen Gestaltung von Staubsaugerdüsen keine Vorstellung von deren betrieblicher Herkunft. Für Verbraucher ist beim Kauf eines Ersatzteils oder Zubehörteils für einen Staubsauger die Marke des Staubsaugers ausschlaggebend, auch der Preis des Ersatzteils. Beim Ersatzteilkauf ist es entscheidend, dass dieses Ersatzteil zur Marke des Staubsaugers passt, wie die Antragstellerseite auch erkannte („Kompatibilität“). Das heißt, beim Ersatzteilkauf gehen die Vorstellungen des Verbrauchers – über die Frage, ob das zu erwerbende Ersatzteil zur Marke (betrieblichen Herkunft) des Staubsaugers passt; „passend zu B…“, „passend zu S…“ – zur betrieblichen Herkunft des Staubsaugers, nicht des Ersatzteils. Beim Ersatzteilkauf sucht der Verbraucher nach der Marke des (hier:) Staubsaugers, nicht nach der Marke des Ersatzteils. Die betriebliche Herkunft des Ersatzteils ist für den Verbraucher ohne Bedeutung. Deshalb macht sich der Verbraucher regelmäßig auch keine Gedanken darüber. Die äußerliche Gestaltung einer Staubsaugerdüse bietet dazu weder Anlass noch Grund. …

Bereits die Vielzahl der von der Antragstellerin selbst in Varianten für die verschiedenen Staubsaugerhersteller auf den Markt geworfenen Staubsaugerdüsen würde es selbst einem besonders verständigen oder sehr gut informierten Verbraucher vollkommen unmöglich machen, Qualitätsüberlegungen hinsichtlich einer dieser Varianten anzustellen, zumal der Verbraucher auch auf andere Qualitäten von Bodendüsen trifft, wie z.B. die von der Antragsgegnerin verkauften, die unter Umständen noch viel herausragender als die von der Antragstellerin sind. …

Ein Staubsauger wird auch nicht als ein mehrteiliges Produkt vom Verbraucher wahrgenommen. Der Staubsauger hat Zubehörteile, die auf Grund erhöhter Beanspruchung von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden müssen. Primärbeispiel dafür ist der Staubsaugerbeutel, wie auch diverse Filter und eben auch die Bodendüse. Das macht einen Staubsauger nicht zum dreigliedrigen Gerät, sondern eben zu einer Hauptsache – der Staubsauger an sich – und Zubehör – die genannten Teile, etwa auch die Bodendüse.“

Aus unserer Antragserwiderung, Hervorhebungen von mir

Keine Rufausbeutung wegen Ersatzteilprivilegs

Es lag meiner Ansicht nach auch keine Rufausbeutung vor. Das wird man bereits mit der gesetzlichen Wertung aus § 23 Nr. 3 MarkenG begründen können und müssen. Schließlich auch damit, dass der Ruf der – im Wege des herstellereigenen respektive herstellergesteuerten Ersatzteilgeschäftes – vertriebenen Ersatzteile (beabsichtigterweise) von der Marke des jeweiligen Staubsaugerherstellers herrührt und nicht von der Bezeichnung (oder betrieblichen Herkunft) eines ihrer Zulieferer.

Über die Vorstellung eines vorteilhaften Saugverhaltens, die Länge des Saugrohres und die Mulde für den Kippschalter

Kurz gesagt, das Landgericht Düsseldorf hat uns Recht gegeben. Und so begründete das LG Düsseldorf seine Entscheidung (u.a.; Hervorhebungen von mir):

„Hingegen kann nicht festgestellt werden, dass die gestalterischen Merkmale der Bodendüse R… geeignet sind, auch gegenüber dem Endverbraucher als Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu dienen.
Der durchschnittlich informierte, angemessen aufmerksame und kritische Verbraucher orientiert sich beim Kauf eines Staubsaugers an der Herstellerkennzeichnung, denn Staubsauger werden üblicherweise als Markenprodukte beworben und vertrieben. Daneben fließen üblicherweise auch technische Leistungsmerkmale und das Design des konkreten Staubsaugers in die Kaufentscheidung mit ein.
Der Verbraucher sieht hingegen in der äußeren Gestaltung der Staubsaugerdüse des konkreten Staubsaugers keine kaufrelevante Eigenschaft. Denn beim Erwerb entscheidet sich der Verbraucher in der Regel für einen Staubsauger als komplettes Paket mit Staubsaugerdüse und Zubehör. Der Verbraucher entwickelt daher mit der Gestaltung einer Staubsaugerdüse keine Vorstellung von der betrieblichen Herkunft der Staubsaugerdüse. Vielmehr liegt das Hauptaugenmerk bei der Kaufentscheidung auf der Marke des Staubsaugers, die sich häufig zudem noch auf der Bodendüse selbst befindet. Umstände, wonach neben der Marke des Staubsaugerherstellers selbst auch die Form der Bodendüse (nebst Kennzeichnung) als eigenständiger betrieblicher Hinweis auf die Herkunft aus einem anderen Unternehmen dient, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher beim Kauf von Staubsaugern regelmäßig davon ausgeht, dass die jeweiligen Einzelteile (Gehäuse, Schlauch, Bodendüse etc.) von unterschiedlichen Herstellern bezogen werden.
Das gilt auch beim Kauf von Ersatzteilen und Zubehör. Dabei stützt der Verbraucher seine Kaufentscheidung ebenfalls nicht auf die Ausgestaltung der Bodendüse selbst. Vielmehr sucht er regelmäßig nach Ersatzteilen für seinen Staubsauger des konkreten Herstellers. Entscheidend ist dabei, dass das Ersatz- bzw. Zubehörteil mit dem Staubsauger selbst kompatibel ist. Schließlich kann auch aufgrund des Umstandes, dass ein umfangreicher Ersatzteil- und Zubehörmarkt besteht, nicht angenommen werden, dass der Verbraucher tatsächlich den Gestaltungsmerkmalen der Bodendüse selbst eine herkunftshinweisende Funktion zuerkennt. Denn dies belegt lediglich ein bestehendes Interesse des Verbrauchers am Kauf von Ersatz- und Zubehörteilen, nicht aber ein solches an Gestaltungsmerkmalen einzelner Staubsaugerteile wie der hier streitgegenständlichen Bodendüse.
An der wettbewerblichen Eigenart fehlt es vor allem deshalb, weil die Bodendüse R…, wie die Verfügungsbeklagte zurecht einwendet, von der Verfügungsklägerin an unterschiedliche Staubsaugerhersteller vertrieben wird, die diese Düse deutlich sichtbar mit ihrer eigenen Marke versehen. Der angesprochene Verbraucher hat regelmäßig keine Veranlassung anzunehmen, dass identische Produkte, die unter verschiedenen Herstellermarken und zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden, vom selben Hersteller stammen. Da es die Funktion der Marke ist, dem Verkehr die Ursprungsidentität des damit gekennzeichneten Produkts zu garantieren, wird der Verkehr vielmehr annehmen, dass verschiedene Marken auf eine unterschiedliche betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte hinweisen (BGH, GRUR 2015, 1012 Rn. 10 – Nivea Blau, BGH, GRUR 2016, 720 Rn. 26 – Hot Sox, OLG Köln, GRUR-RR 2014, 336, 338 – Thermosteckverbinder). Da es sich bei den aufgedruckten Marken auch nicht nur um Handelsmarken, sondern um die Marken bekannter Staubsaugerhersteller handelt, hat der Endabnehmer – auch im Ersatzteilgeschäft – keine Veranlassung, die Bodendüse aufgrund ihrer äußeren Gestaltung einem bestimmten Hersteller zuzuordnen. Die äußeren Gestaltungsmerkmale sind insofern als Herkunftshinweis nicht geeignet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Bodendüse R… der Verfügungsklägerin mit ihrer eigenen Marke versehen ist. Tatsächlich findet sich die Marke in der Mulde für den Kippschalter der Bodendüse. Sie fällt bereits deshalb nicht auf, weil sie aufgrund der Ausprägung im Kunststoff der Düse farblich nicht hervorgehoben ist. Hinzu kommt, dass die Marke der Verfügungsklägerin in einer der beiden Schalterstellungen verdeckt und daher nicht sichtbar ist. Aber auch in der an deren Schalterstellung ist die Marke kaum auszumachen, weil sie in der Mulde von Wänden und dem Schalter umgeben ist, so dass sie nur aus bestimmten Blickwinkeln erkennbar ist. Wird weiterhin davon ausgegangen, dass der Verbraucher bei der Benutzung des Staubsaugers aufgrund der Länge des Saugrohrs von dem Kippschalter regelmäßig weiter entfernt ist, wird er die Marke der Verfügungsklägerin nicht wahrnehmen. Selbst wenn er ihr zufällig gewahr wird, wird er sie mangels Bekanntheit beim Endverbraucher auch in Abgrenzung zur Marke der Staubsaugerhersteller nicht einzuordnen wissen. Denn auch in der Werbung oder in den Abbildungen der Bodendüsen wird die Marke der Verfügungsklägerin nicht herausgestellt.
Etwas anderes gilt nur für die Produktverpackung von „S…“, die neben der Marke der Verfügungsklägerin den Aufdruck „powered by W…“ trägt. Allerdings führt auch dies nicht dazu, dass sich die Bodendüse R… aufgrund ihrer äußeren Gestaltung einem bestimmten Hersteller zuordnen lässt. Denn außer der Marke der Verfügungsklägerin findet sich auf der Produktverpackung auch die Marke „S…“, so dass auch dieses Unternehmen als Hersteller in Betracht kommt. Zudem lässt der Begriff „powered by“ nicht erkennen, dass Hersteller der Bodendüse die Verfügungsklägerin ist, auf die auch die äußere Gestaltung der Düse zurückgeht. Der Begriff – in deutscher Übersetzung etwa „angetrieben durch“ – lässt allenfalls die Vorstellung eines vorteilhafteren Saugverhaltens aufgrund eines technischen Beitrags der Verfügungsklägerin zur Konstruktion der Düse zu, nicht aber die der Herstellereigenschaft der Verfügungsklägerin.“

LG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2021, Az. 4b O 17/21

Die Länge des Saugrohres verhindert die Wahrnehmung der Marke, die in der Mulde für den Kippschalter verborgen ist – Da muss man erst mal drauf kommen! Bemerkenswert, Landgericht Düsseldorf!

Lesen Sie hier das rezensierte Urteil, LG Düsseldorf, 4b 17/21

Eins nach dem anderen

Die Geschichte erhielt eine Dramatik dadurch, dass neben meinem Mandanten ein zweiter Händler verklagt worden war. Mit diesem einigte sich das W.-Werk in wirklich aller letzter Minute vor der Urteilsverkündung, mir wurde dieser Vergleich ebenso angeboten, ich konnte dieses Angebot aber aufgrund dienstlicher Verhinderung erst zwei Tage später zur Kenntnis nehmen. Und so kam es zeitgleich mit dem obsiegenden Urteil bei mir an! Manchmal ist es wirklich gut, die Dinge eins nach dem anderen zu bearbeiten!

Die ganze Geschichte

Wöllte man sie erzählen, würde das einen Blogbeitrag mit Sicherheit sprengen! Hierzu müssen Sie sich schon selbst die ergangenen Entscheidungen durcharbeiten. Dabei wünsche ich schon jetzt viel Vergnügen! Und: Es ging vors OLG. Auch dort haben wir gewonnen! Lediglich der in der mündlichen Verhandlung vor dem LG Düsseldorf von mir erörterte „Beluga-Hügel“ am verteidigten Ersatzteil hat es (mit dieser Formulierung) nicht ins Berufungsurteil geschafft; wohl aber das Ersatzteilprivileg. Das Berufungs-Urteil des OLG Düsseldorf, 15 U 41/21, sehen Sie hier:

Das Widerrufsrecht für den Verkäufer

per Erstattung des Kaufpreises bei Nichtlieferbarkeit / Nichtverfügbarkeit der Leistung

Um es vorwegzunehmen: Der Verkäufer hat kein Widerrufsrecht, zumindest theoretisch. Aber was soll er tun, bei Nichtlieferbarkeit nach Vertragsschluss? Heißt es da nicht pacta sunt servanda? Verträge sind zu halten? Macht er sich nicht schadensersatzpflichtig, der Verkäufer, wenn er nicht liefert? Wir wollen es sehen!

Der Sachverhalt

Der Verkäufer bot in seinem Onlineshop Neuware an. Was er lieferte, habe jedoch angeblich starke Gebrauchsspuren aufgewiesen. Der Käufer reklamierte nebst Bildmaterial und sandte dem Verkäufer die Ware zurück und forderte ihn zur Übersendung von Neuware auf. Der Verkäufer zog noch eine Volte, indem er dem Käufer mitteilte, dass er die Ware dem Hersteller zur Prüfung eingesandt habe, worauf Letzterer antwortete, dass ihn dass nicht interessiere, er Neuware bestellt habe und auf deren Zusendung insistiere.

Daraufhin zahlte der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis zurück! Und dieser verklagte jenen auf Lieferung unbenutzter Neuware, Zug um Zug gegen Zahlung der Kaufsumme. Nun war guter Rat gefragt!

Das Problem

Eine Nachlieferung wurde seinerzeit nicht vorgenommen, da der Artikel bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr beschaffbar war (EOL – End of Life). Und eine Belieferung konnte deshalb auch nicht mehr, überhaupt nicht mehr, vorgenommen werden.

Ein Lösungsansatz: Unmöglichkeit

Der Artikel war nicht mehr beschaffbar. Das heißt, der Verkäufer kann ihn bei keinem seiner Zulieferer mehr bestellen, weil der Artikel nicht mehr lieferbar ist. Hierzu konnte ich die Zeugenaussage des beim Verkäufer angestellten verantwortlichen Mitarbeiters anbieten. Der Erbringung der Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrage stand damit meiner Ansicht nach Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB entgegen. Womit der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist. Diese Einrede habe ich dann auch erhoben.

Was wäre mit Schadensersatz?

Schadensersatz hatte der Käufer nicht beantragt. Dieser Schadensersatz würde sich auch im Bereich der – unstrittig – bereits zur Erstattung geleisteten Kaufpreiszahlung bewegen. Das heißt, wenn der Käufer seine Klage in dieser Situation auf Schadensersatz umgestellt hätte, dann hätte ich Erfüllung gemäß § 362 BGB eingewandt, weil der Verkäufer den Kaufpreis bereits an den Käufer überwiesen hatte. Im Übrigen hatte der Käufer zu Schadensersatz nicht vorgetragen.

Könnte man sich nicht gütlich einigen?

Da der Kaufpreis bereits erstattet wurde, stand auch kein Material mehr für eine gütliche Einigung im Raume. Der Verkäufer hätte dem Käufer sonst anbieten können, ihm den Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten. Was er, wie gesagt, aber bereits getan hatte. Und das war auch unstrittig. Das entspricht der Rechtslage: Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, § 326 Abs. 1 BGB.

Die Lösung

Und so wäre nichts anderes mehr übrig geblieben, als die Klage des Käufers abzuweisen.

Meines Erachtens nach ein gerechtes Ergebnis, denn der Käufer hat seinen Kaufpreis längst zurückerhalten. Der Verkäufer kann den Artikel nicht liefern; die Hauptleistungspflicht ist objektiv und subjektiv unmöglich geworden, § 275 Abs. 1 BGB.

Die Erstattung des Kaufpreises mag den Kaufvertrag nicht aufgelöst haben, Unmöglichkeit, § 275 BGB, steht der Erbringung der Hauptleistungspflicht jedoch dauerhaft entgegen. Hierzu war sogar Zeugenbeweis angeboten. Das Schicksal der Kaufpreiszahlung ist über § 326 Abs. 1 BGB geregelt: Der Anspruch entfällt. Im Ergebnis ist genau das eine gerechte Auflösung des Interessenkonflikts.

Vorsorglich war der Verkäufer auch vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil der Käufer vortrug, ein solcher Rücktritt habe nicht stattgefunden. Nach der hier vertretenen Lösung (§§ 275, 326 Abs. 1 BGB) dürfte es auf einen Rücktritt allerdings nicht mehr ankommen; deshalb war er nur vorsorglich erklärt.

Wie ist es ausgegangen?

Wir wissen es nicht! Oder: Wir wissen es schon! Tja, was soll ich sagen? Der Gegenanwalt hat sein Mandat niedergelegt und der Kläger seine Klage zurückgezogen, nach meiner Klageerwiderung. Wenn es doch immer so einfach wäre! Für mich ein Indiz dafür, dass ich mit meiner Argumentation genau richtig gelegen habe. Und eine Mandatskündigung kann (auch) andere Gründe haben, die ich hier nicht zu vertiefen brauche. Ich empfinde es allerdings schon als Ritterschlag und zwar für mich in diese Falle, wenn ein Kläger seine Klage zurücknimmt, allein auf meine Argumentation hin und wir mithin gar nicht erst des Gerichts bedürfen. Meinen Respekt dem hier natürlich namentlich nicht Genannten! Auch wenn ich damit nun keine zitable Entscheidung habe; dieser Artikel tuts auch.

Was ist mit einem vertraglichen Rücktrittsrecht für den Verkäufer per AGB?

Nun könnte man ja auf die Idee kommen, im Einklang mit § 308 Nr. 8 BGB für diesen Fall der Nichtverfügbarkeit der Leistung eine Klausel zu schreiben, die einen Vorbehalt des Verkäufers begründet, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn er sich gleichzeitig verpflichtet, den Käufer unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und ihm den Kaufpreis unverzüglich zu erstatten. – Wer mich kennt, kennt auch meine Einstellung zu (solchen) AGB.

Also, auch, wenn es kein gesetzliches Rücktrittsrecht für den Verkäufer geben mag, so kann er sich doch für solche Situationen zumindest ein vertragliches Rücktrittsrecht ausbedingen, was jedenfalls zeigt, dass dem Gesetzgeber wenigstens die Idee eines „Widerrufsrechts für Verkäufer“ nicht ganz fremd war! Immerhin!

Braucht man eine solche AGB?

Der vorliegende Fall zeigt: Nein. Es geht auch ohne. Es geht auch mit § 275 BGB – Der Einrede der Unmöglichkeit der Leistung.

Fazit

Der Verkäufer hat dieses faktische Rücktrittsrecht. Er übt es aus durch die Rückzahlung des Kaufpreises. Es muss halt die Ware auch tatsächlich nicht mehr lieferbar sein. Und der Verkäufer muss auf einen verständigen Kunden respektive einen Richter treffen, der die Argumentation gut nachvollziehen kann. Mir jedenfalls ist sie schlüssig. Faktisch hat der Verkäufer dieses „Widerrufsrecht“. Und praktisch übt er es aus, indem er den Kaufpreis zurückzahlt. Und den Kunden angemessen informiert. Wie es ja die Idee des § 308 Nr. 8 BGB ist. Aber es läuft eben auch, ohne, dass man eine solche AGB ausdrücklich implementiert. Zumindest in dem hier besprochenen, aber gerichtlich nicht entschiedenen Fall oder besser gesagt. Fällchen. Allerdings: höchst skalierbarem „Fällchen“!