e-Commerce-Day am 26.04.2024 in Köln

Auf dem e-Commerce Day in Köln (2018)

Am 26. April 2024 werde ich mit dem Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH) auf dem e-Commerce Day by Kaufland im Rhein-Energie-Stadium in Köln sein (Stand 26). Unser Präsident Andreas Müller und unsere Hauptgeschäftsführerin Heidi Kneller-Gronen werden um 10:30 Uhr auf der Hauptbühne / Main Stage zu dem Thema:

Retourenbekämpfung, Marktplatzsperrungen und Temu: Was wir für Euch erreichen können

referieren (Vortragsplan). Sie beleuchten die aktuellen Probleme im Onlinehandel. Und diskutieren den aktuellen politischen Sachstand zu Retouren und Widerrufsmissbrauch mit Euch. Wir als BVOH thematisieren die Folgen von Marktplatz-Sperrungen und welche Lösungen es gibt. Außerdem setzen wir uns auch mit Temu auseinander: Welche Chancen und Risiken es gibt und was wir als Verband sowohl politisch als auch in direktem Austausch mit Temu tun. Natürlich haben wir auch wieder einen Stand; Sie finden uns am Stand 26 (wie 26. April). Herzlich willkommen also auf dem e-Commerce Day 2024 in Köln. Ich freu mich!

Wolfgang Wentzel für den Bundesverband Onlinehandel e.V.

Den BVOH auf dem e-Commerce-Day 2024 in Köln treffen!

Etwas über Streichpreise

Das Thema Streichpreise ist nichts für einen kurzen redaktionellen Artikel, ich versuche es trotzdem. Ausgangspunkt ist § 11 PAngV.

Frage nach der Angabe des Referenzpreises

Die Frage war, ob auch der Referenzpreis anzugeben sei. Damit ist gemeint, dass nicht nur ein Preis durchgestrichen wird (der Referenzpreis), sondern, ob auch noch anzugeben sei, dass es sich mit diesem – dem durchgestrichene – Preis um den niedrigsten Preis der letzte 30 Tage handelt.

Hier hat das LG Düsseldorf in der letzteinschlägigen Entscheidung (38 O 144/22) gesagt: Nein.

Nach Auffassung des Landgerichts Düsseldorf verpflichtet § 11 PAngV den werbenden Händler ausschließlich zur rein betragsmäßigen Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage – das dürfte der durchgestrichene Preis sein. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, diesen Referenzpreis in bestimmter Weise zu bezeichnen oder durch Erläuterung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um „den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage“ handelt, dürfte nach dieser Entscheidung nicht bestehen.

Was ist mit der UVP, der „unverbindlichen Preisempfehlung“?

Eine weitere Frage könnte sein, ob der Händler ausschließlich den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage darzustellen hat oder ob er die „unverbindliche Preisempfehlung“ (UVP) zusätzlich dazu auch noch darstellen darf. Die UVP könnte ja auch ein weiterer Referenzpreis sein; allerdings in die andere Richtung, der Logik der Werbung mit Tiefpreisen nach.

Etwas zu Abkürzungen

Bei dieser Gelegenheit eine Anmerkung zum Thema Abkürzungen. Sie funktionieren nur im jeweiligen Systembereich. Für den Verwaltungsrechtler ist „UVP“ ganz klar die Unweltverträglichkeitsprüfung. Das „AT“ ist für den Juristen der Allgemeine Teil, etwa des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Strafgesetzbuches; der „BT“ dann der Besondere Teil. Für den Theologen ist „AT“ das Alte Testament. Natürlich sind diese Abkürzungen „eingeführt“ (im jeweiligen Systembereich). Sicher hat sich Google inzwischen auch etwas an Abkürzungen gewöhnt und kann den Zusammenhang erkennen. Trotzdem bleiben dann AT oder UVP mehrdeutig. Daher die Anregung, ob es für das Gefundenwerden nicht besser wäre, hin und wieder einmal eine Abkürzung auszuschreiben. Es wissen auch nicht alle Verbraucher, dass „OVP“ originalverpackt heißt oder in Originalverpackung. Und es hat – wettbewerbsrechtlich – die Frage immer noch nicht ganz den Raum verlassen, inwieweit die Verwendung von Abkürzungen etwa dem Verbraucher gegenüber irreführend sein können und möglicherweise deshalb sogar rechtswidrig. Aber dieses Fass will ich hier gar nicht aufmachen. Interessant wird es dann bei der – verpflichtenden – Angabe von Fundstellen …

Zurück zur Sache

Die Frage ist also, ob der Händler nur den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage darzustellen hat oder ob er darüber hinaus auch noch den UVP darstellen darf.

Der Händler muss den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage angeben. Wie viele höhere Preise – z.B. die „unverbindliche Preisempfehlung“ – er in diesem Zusammenhang darstellt, dürfte keine Rolle spielen. Demnach dürfte der Händler auch die „UVP“ angeben. Er muss sich dann natürlich auch an die Regeln der Darstellung der UVP halten; kurz gesagt: Die unverbindliche Preisempfehlung muss auch eine solche sein und vor allem nachweisbar, durch Preislisten etwa.

Entspricht der durchgestrichene Preis der unverbindlichen Preisempfehlung, soll mitgeteilt werden müssen, dass der durchgestrichene Preis diese unverbindliche Preisempfehlung sei. Je nachdem, in welche Richtung man diese Konstellation bedenkt, wird man zu dem Ergebnis kommen (können), dass diese Variante entweder wenig praxisrelevant sei. Ist denn die UVP nicht höher? Ist es denkbar, dass die UVP der niedrigste Preis der letzten 30 Tage ist? Oder man wird diese Konstellation sogar für den Paradefall eines durchgestrichenen Preises halten. Der UVP ist durchgestrichen und jetzt gilt der folgende Preis. Dann müsste aber doch die UVP als der durchgestrichene Preis der niedrigste Preis der letzten 30 Tage sein? Wer bitte bietet denn – und sei es auch nur 30 Tage lang – zur „unverbindlichen Preisempfehlung“ an? Aber vielleicht muss man auch nicht jeden Gedanken zu Ende denken.

Sinn und Zweck der Streichpreisregelung

Ich meine, verbotsrelevant bzw. kritisch ist nur die Werbung mit niedrigen Preisen an sich, ohne, dass der Kunde es nachvollziehen und verstehen kann. Der Verbraucher will insbesondere wissen, ob das das, also der durchgestrichene Preis, schon das Billigste ist oder ob es vorher etwa noch billiger war. Deshalb ist „der niedrigste Preis der letzten 30 Tage“ darzustellen.

Ist der aktuelle Preis niedriger als der durchgestrichene – das dürfte der Normalfall dieser Maßnahme sein -, wird sich der Kunde freuen und kaufen. Ist der aktuelle Preis höher als der durchgestrichene, macht das als Werbemaßnahme schon mal wenig Sinn und könnte wegen dieser „Täuschung“ bereits wettbewerbsrechtlich anstößig sein. Aber: Ein interessanter Gedanke.

Wie teuer es hingegen unter Umständen auch mal war (Stichwort UVP), dürfte im Hinblick auf die Pflicht zur Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage irrelevant sein, aber werbewirksam und wohl nicht verboten, wenn der UVP echt ist.

Was ist, wenn es einen noch niedrigeren Preis gibt, z.B. am „Black Friday“?

Stellt man am Black Friday auf die Differenz zwischen höchstem Preis = UVP / Nicht-black-Friday-Preis und jetzigen Preis ab, dann könnte man es schon wieder anders sehen. Aber, wie gesagt, das Gesetz spricht vom niedrigsten Preis der letzten 30 Tage, das dürfte in diesem Beispiel der Nicht-black-Friday-Preis sein, und nicht von Preisdifferenz oder vom Verbot der Angabe höherer Preise (wenn sie „stimmen“). Also im Grunde genommen: Auch am Black Friday einfach die normale Streichpreisregelung anbieten. Oder das versuchen! Aber es sollte schon gelingen …

Verheddern Sie sich nicht! Auch hier dürfte die einfache, klare Aussage die beste sein. Überzeugend und rechtmäßig. Es ist aber wirklich kein einfaches Thema. Und in jedem Falle einer Einzelfallbetrachtung wert.

Manchmal ist es kniffelig

Besonders dann, wenn man mit verbundenen Augen in den Fettnapf tritt, zum Beispiel, wenn man noch nicht weiß, dass „KNIFFEL“ oder „Mensch ärgere Dich nicht“ geschützte Marken sind; gewusst?

Neben den Klassikern, wie „Fön“, „Einweckglas“, „Knirps“ (Registrierung abgelaufen) & „Tempos“, wären dann zum Beispiel auch noch: „PEARL“, „profitec“, „SAM“, „Da Vinci“, „Sansibar“ oder „Herrnhuter Stern“.

„EXTREM“ z.B. ist auch für allerlei als Marke geschützt, u.a.:

Insofern bitte in einschlägigen Produktbeschreibungen besser vermeiden!

Natürlich, nicht zu vergessen: Das „Bummsinchen“

Und die Farbe gelb oder ein roter Punkt

„Bummsinchen“

ist eine eingetragene europäische Marke! Wussten Sie’s? Dann schauen Sie mal hier!

Mandant wurde wegen eines Türstoppers abgemahnt, wir haben modifiziert Unterlassung erklärt.

Das DPMA hat eine entsprechende Anmeldung übrigens zurückgewiesen und „Bummsinchen“ nicht eingetragen, wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und wegen beschreibender (freihaltungsbedürftiger) Angabe gem. (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).

Zwei Ämter, zwei Meinungen! Aber jedenfalls eine valide Eintragungsurkunde. Schwieriges Thema. Aber der Streit um die Rechtmäßigkeit der Abmahnung war genau das, was wir aus Kostengründen vermeiden wollten. Es wäre wohl auch schwierig mit dem Einwand fehlender Unterscheidungskraft und beschreibender Angabe, wenn das EUIPO eintrug und das DPMA nicht. Wieder ein klassischer Fall von zwei vertretbaren Meinungen. Aber woher weiß ich, welcher sich das Gericht anschließen wird, wenn ich es streitig stelle? Ist das EUIPO „höherwertiger“ als das DPMA? Unionsmarkenverordnung und Markengesetz sind vollharmonisiert. Eigentlich müsste eine nach dem Markengesetz gebildete Einrede dann ebenfalls der UMV entgegenzuhalten sein, eigentlich! Genau so gut kann aber aus der nach MarkenG gebildeten Einrede eine eingebildete Rede im Hinblick auf UMV und EUIPO werden. Ich höre es förmlich schon: „Der Streit kann dahinstehen, jedenfalls ist die Marke beim EUIPO eingetragen“. Und sicher ist es gut vertretbar, bei zwei vertretbaren Meinungen, diejenige mit dem niedrigerem Risiko zu wählen bzw. die Sache kaufmännisch zu lösen. Interessante Fragen jedenfalls! Auch, weil das Risiko aus einer Unterlassungserklärung nicht von ohne ist.

Der rote Punkt

Und hier einmal der Bericht über ein Verfahren, das ich leider nicht gewonnen habe; ein Fall aus dem Jahr 2018.

Da gibt es doch tatsächlich Jemanden, der sich einen roten Punkt hat schützen lassen; Sie glauben das nicht? Warten Sie es ab oder schauen Sie mal hier!

Die Markeninhaberin mahnte den Mandanten ab, der eine Thermoskanne mit einem länglich-ovalen Knopf anbot, den die Markeninhaberin als Gestaltung eines roten Punktes ansah und deswegen dagegen vorging. Ich gab – und das ist nun wirklich etwas ganz besonderes bei mir – eine modifizierte Unterlassungserklärung für den Mandanten ab; wir verweigerten jedoch die Erstattung der Abmahnkosten, um dann wenigstens in Gestalt des Kostenstreites die Frage der Rechtmäßigkeit der Abmahnung gerichtlich überprüfen zu lassen. Beim geringerem Prozesskostenrisiko.

Der nichtdeutsche Lieferant versuchte, uns beizustehen, indem er die strittigen Produkte vom Markt nahm, war jedoch nicht bereit, dem Mandanten die Abmahnkosten zu erstatten, berief sich auf die Geschäftsfreiheit und sah den von der Gegenseite angesetzten Streitwert von 50.000 Euro als übersetzt an.

Die Markeninhaberin ließt Klage auf die Abmahnkosten erheben. Wir haben dann zunächst dieses Hersteller-Schreiben vorgelegt. Ich hatte bestritten, dass sich auf den Kannen der Klägerin ein Design befindet, dass einem „roten Punkt“ entspräche, weil alle von der Klägerin vorgelegten Unterlagen die Kannen nur von der Seite zeigen. Und ich hatte versucht, einige Gegenargumente zu formulieren:

Eine Ausgießvorrichtung ist doch kein Punkt!

So hatte ich mathematisch-geometrisch argumentiert, dass ein Punkt qua definitionem der Schnittpunkt zweier Geraden sei, mithin eine eindimensionale kreisrunde Figur. Beanstandet sei jedoch eine Kanne mit Ausgießungsvorrichtung („länglich-ovaler Knopf“). Selbiger sei ein dreidimensionaler, nach Länge, Breite und Höhe definierter Gegenstand. Zudem – von oben betrachtet – ein Rechteck, welches an zwei Seiten, die zueinander planparallel verlaufen, gerade sei. An den anderen zwei Seiten abgerundet; wobei die Kurven in unterschiedlichen Radien verlaufen, nämlich links sehr flach, rechts im engeren Radius und nach oben abgewinkelt. Mithin sei das Design an der beanstandeten Kanne kein roter Punkt. Sondern ein rotes Rechteck mit zwei runden Seiten.

Zudem machte ich geltend, dass der Kläger kein Geschmacksmuster (oder Design) geschützt habe, sondern eine Bildmarke. Die vom Beklagten verkaufte Kanne stelle keine markenmäßige Benutzung dieser Bildmarke dar, zumal das Design der Ausgießvorrichtung beim Beklagten rechteckig sei.

Streit gehört zwischen Rechteinhaber und Hersteller (nicht: Händler)

Ich vertrat die Ansicht, dass die Abmahnung unberechtigt sei, weil sie sich als ungerechtfertigte Abnehmerverwarnung darstellen würde (vgl. BGH, Urteil v. 21.12.2005, X ZR 72/04).

Der Hersteller habe der Klägerin mitteilen lassen, dass er sich aus dem Verkauf der strittigen Artikel zurückgezogen habe und es unterlassen werde, an Thermosflaschen Aufmachungen zu verwenden, die einen rotem Druckknopf am Deckel aufweisen würden.

Der Hersteller hatte auch die gesamte Verantwortung auf sich genommen, indem er erklärte:

„Die Firma … erklärt  ebenfalls, dass sie bei der Herstellung, dem Verkauf oder dem Import o.g. Thermosflaschen nicht mit anderen Unternehmen zusammenarbeitet.“

Der Hersteller hat sich ebenfalls dazu verpflichtet, keine Wirtschaftstätigkeit im Hinblick auf das Angebot und den Verkauf von mit einem roten Punkt gekennzeichneten Produkten gemäß der eingetragenen Bildmarke auszuführen.

Ich nahm an, dass sich mit der Intervention des Herstellers ein – ggf. zwischen Markeninhaber und Hersteller bestehender – Rechtstreit auf gütlichem Wege erledigt oder der Markeninhaber den Hersteller daraufhin gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen habe. – Dahinter steht auch der Gedanke, dass ich der Ansicht bin, dass derartige Auseinandersetzungen zwischen Markeninhaber und Hersteller geführt gehören und nicht zwischen Markeninhaber und Händler!

In beiden Fällen sei meiner Ansicht nach die Abmahnung meines Mandanten als gegenstandslos anzusehen. Im ersten Fall, weil sich der Hersteller gegenüber der Markeninhaberin auf gütlichem Wege dazu verpflichtet hätte, diese Kannen aus dem Verkehr zu ziehen. Im zweiten Fall, weil der Hersteller gerichtlich dazu gezwungen worden wäre. Habe die Markeninhaberin – im Falle zwei – ein gerichtliches Verfahren gegen den Hersteller sogar verloren, dann wäre die Abmahnung meines Mandanten erst recht rechtswidrig.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Streitwert mit 50.000 Euro veranschlagt werde. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Sache einen über 1,3 hinausgehenden Gebührenansatz erfordern solle. Der Klägervertreter berief sich auf „zahlreiche ähnlich gelagerte Verfahren“. Daraus sei zu entnehmen, dass es für ihn keine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit erforderte würde, die gegenständliche Abmahnung zu versenden. Ein solcher Streitwert mag gegenüber einem Hersteller angemessen sein. Nicht aber gegenüber einem Händler.

Es befremde zudem, dass nach Eintragung der Marke des Klägers, für die er Verkehrsdurchsetzung beanspruche, nunmehr alles zu unterlassen sei, was auch nur annäherungsweise oder im entferntesten mit einem roten Punkt zu tun habe.

Sieht das nicht aus wie die Staatsflagge von Japan?!

Die Abmahnung sei als Abnehmerverwarnung rechtswidrig, weil die Marke löschungsreif sei. Es bestünde ein absolutes Schutzhindernis, das nicht durch Verkehrsdurchsetzung überbrückt werden könne: Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG seien Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen enthalten. Die Marke sei die Flagge Japans, mithin eine Staatsflagge. Wer sie nicht kennt, kann das bei Wiki nachlesen. Das hielt ich, ehrlich gesagt, für mein stärkstes Argument.

Was meinen Sie?

Abbildung 1: https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/396106692/DE

Abbildung 2: https://de.wikipedia.org/wiki/Flagge_Japans

Ich hatte mich sogar mit einem Schreiben an seine Exzellenz, dem außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter von Japan mit der Bitte um Unterstützung gewandt:

„Wir ersuchen Sie, es in Erwägung zu ziehen, uns mit einer schriftlichen Note beizustehen, die gegebenenfalls dahin lauten wolle, dass Ihr Haus nicht darüber erfreut sei, dass sich die Flagge Japans überhaupt beim Deutschen Patent- und Markenamt als Handelsmarke eingetragen findet, dass daraus zugunsten des Eintragenden kein Kapital geschlagen werden solle und dass derartiges im Hinblick auf Artikel 20 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 überhaupt besser unterbleiben solle.“

Jedenfalls könne die Löschungsreife dem Klageanspruch in diesem Falle entgegengehalten werden, weil es sich um ein absolutes Schutzhindernis handele, das von der beanspruchten Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG ausdrücklich ausgenommen sei. Wie die Flagge Japans aussieht, dürfe als offenkundig gemäß § 291 ZPO angesehen werden. Die Marke entspräche eins zu eins der Staatsflagge Japans. Ich hatte dann auch noch Löschungsantrag beim DPMA gestellt und beantragt, dass Abmahnkostenverfahren bis zur Bescheidung desselben auszusetzen.

Anderer Ansicht: Landgericht Hamburg

Ich bin mit all dem nicht durchgedrungen; das Landgericht Hamburg war ganz anderer Ansicht!

„Die Klagemarke enthält nicht die Staatsflagge Japans. Gegenstand der Klagemarkendarstellung ist lediglich ein roter Punkt, nicht indes dessen Hintergrund und letzterer insbesondere nicht in der Form eines weißen Rechteckes, in der ein roter Punkt mittig zentriert angeordnet ist.“

LG Hamburg, Urteil vom 25.04.2019, 327 O 380/18

„Der rotfarbige Druckknopf der Gestaltung gemäß Anlage … ist bei Draufsicht von oben ovalförmig und weicht damit nur geringfügig von der Klagemarkengestaltung ab. Aus anderen Perspektiven erscheint er zudem rund.“

LG Hamburg, a.a.O.

Was ward aus dem Löschungsantrag?

Gegenüber dem DPMA hatte ich geltend gemacht, dass die Umgebungsfläche in der Markendarstellung in der Eintragungsurkunde weiß sei. Und die Eintragungsurkunde als öffentliche Urkunde eine gesteigerte Beweiskraft dahingehend genösse, dass sie die Vermutung ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit in sich trage, § 415 ZPO. So dass auf der Eintragungsurkunde die Staatsflagge Japans abgebildet sei. Das werde man doch vernünftigerweise nicht bestreiten können. Denn das sei doch ganz offensichtlich. Wenn Sie nun auch noch wissen wollen, wie „erfolgreich“ mein Löschungsantrag war, dann schauen Sie ins Register.

„Manchmal fängst du den Bären und manchmal fängt der Bär dich!“

(„Star Trek“, Paramount Pictures/Paramount Global, bzw. „The Big Lebowski“, PolyGram/UIP und Universal)

Alternative Lösung

Man kann es natürlich auch so lösen: Für einen anderen Mandanten von mir, der eine solche Kanne direkt vom (inländischen) Hersteller bezogen hatte, kümmerte sich dieser – auch kostenmäßig – selbst um die Angelegenheit, so dass ich der Gegenkanzlei mitteilen konnte:

„Meine Mandantin hat sich an den Hersteller der von meiner Mandantin angebotenen Isolierkannen, die Firma H. gewandt und von dieser die Antwort erhalten, dass sich die Rechtsabteilung des Herstellers H. in dieser Angelegenheit direkt mit Ihrer Mandantschaft in Verbindung setzen wird.“

Damit war die Sache für den Mandanten und für uns ausgestanden.

Ohne Bären.

Die Farbe Gelb

Ein Plädoyer für das Ersatzteilprivileg aus § 23 Nr. 3 MarkenG

Kennen Sie das, dass einige Unternehmen ganz bestimmte Farben für sich reklamieren? Und sich insoweit vielleicht sogar haben schützen lassen? Also ich jedenfalls denke dabei z.B. an die Farbe Gelb im Zusammenhang mit einem überseeischen Hersteller von Apparaten zur Aufnahme von Photographien; mit N. Oder an eine, vielleicht als „Staatskonzern“ wahrgenommene Unternehmung, die mit long distance calls, Ferngesprächen, genauer, mit der Technik zur Ermöglichung solcher, zu tun haben könnte und einen verbal schier unbegreiflich beschreibbarem Ton eines blass-kräftigen Lilas; im Farbton M.

Nun ja, die „Gelben“ hatten den Mandanten verklagt, der Ersatzteile für derartige Apparate im Internet offerierte. Er solle es unterlassen, solche Produkte anzubieten, auf denen die Marke „N.“ stünde, „insbesondere, aber nicht darauf beschränkt“, in der „Farbstellung schwarz/gelb“; Grüße an Dynamo Dresden oder auch an unsere Landeshauptstadt selbst gehen raus.

Der Mandant bot Ersatzteile für derob gelbe oder schwarz-gelbe Apparaturen an. So auch eine Fernbedienung „für N.“. Als Ersatzteil; gekennzeichnet durch das entscheidende Wörtlein „für“. Sie kennen das. Ein Ersatzreifen „für“ einen Personenkraftwagen einer bestimmten Marke, muss nicht derselben Marke sein wie das Automobil, sondern kann – durchaus – auch anderer Marke sein. N. führte seine Markeneintragung ins Feld und die Farbe gelb; genauer die Farbstellung schwarz-gelb.

Da war eine Lanze zu brechen für das Gesetz!

„Der Inhaber einer Marke darf einem Dritten nicht untersagen, im geschäftlichen Verkehr die Marke zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil erforderlich ist.“

§ 23 Nr. 3 MarkenG, auszugsweise, Hervorhebung von mir

Und so argumentierte ich dann auch, hart am Gesetz.

Die Klage sei unbegründet.

Der Händler könne sich hier mit Erfolg auf die Einrede aus § 23 Nr. 3 MarkenG
(Ersatzteilgeschäft) berufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen dazu seien gegeben.

Der Mandant stelle prominent, mehrfach und ausdrücklich klar, dass es sich bei dem beanstandeten Angebot um ein nach § 23 MarkenG zulässiges Ersatzteilgeschäft handele. Da der Händler die von der Klägerin reklamierte Marke nur als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, soweit die Benutzung dafür notwendig ist, benutzt, habe die Klägerin nicht das Recht, der Benutzerin diese Benutzung im geschäftlichen Verkehr zu untersagen, § 23 MarkenG.

Die Notwendigkeit der Markenbenutzung fürs Ersatzteilgeschäft

Der Einwand aus § 23 Nr. 3 MarkenG ist rechtlich dadurch begrenzt „soweit die Benutzung dafür notwendig ist“. Damit ist gemeint, dass die Marke für das eigene Ersatzteil (das nicht dieser Marke angehört) nicht ausgebeutet werden darf. Sondern, dann aber legitimerweise, nur soweit für das Ersatzteilgeschäft „notwendig“, in Bezug genommen werden darf.

Der Händler schrieb bereits in der Artikelüberschrift „für“ (N.). Damit stelle er klar, dass es sich bei der von ihm (für eine N.-Kamera) angebotenen Fernbedienung nicht um ein Teil „von“ N., also nicht um ein/das Markenprodukt, sondern um ein Ersatzteil „für“ eine N.-Kamera handele.

Diese Notwendigkeit sei mithin vorliegend gegeben. Der interessierte Käufer wird nämlich nach einen Ersatzteil zu „seiner“ Marke (also der Marke des Kaufinteressenten, zu der das Ersatzteil gesucht wird) suchen. Insoweit sei die Angabe der Marke auch notwendig, weil der Kunde sonst nicht verifizieren könnte, ob die Fernbedienung auch tatsächlich mit „seinem“ N.-Markengerät zusammen einwandfrei korrespondiert, also funktioniert. Das wäre z.B. dann nicht der Fall, wenn der Kunde ein z.B. S.-Gerät oder ein C.-Gerät hätte. Nur für eine N.-Kamera würde diese Fernbedienung funktionieren.

Was ist ein Ersatzteil?

Es läge mit dieser Fernbedienung auch ein Ersatzteil vor. Kennzeichen eines Ersatzteils sei es, dass damit substanziell etwas – ein Teil des Ganzen bis hin zum ganzen Gerät – „ersetzt“ wird, denken Sie nur an ein „Ersatz-Wagen“ oder „Werkstattersatzwagen“ oder einen „Ersatz-ICE“, einen „Ersatz-Reifen“ im Hinblick auf den damit ersetzten „Original“-Reifen – ganz zu schweigen vom „Ersatz-Rad“ – und so weiter! Ferner muss dieses Teil ein ursprünglich vorhanden gewesenes Teil bzw. das Ganze „ersetzen“ oder die ursprüngliche Funktion erweitern können, denken Sie an Winterräder oder Winterreifen. Obwohl letzterer Gedanke auch schon etwas in Richtung Zubehör läuft.

Beide Voraussetzungen waren erfüllt. Eine Fernbedienung zu einem Fotoapparat ist ein diesem dienendes Teil von nachgeordnetem Rang. Die Fernbedienung ersetzt sowohl eine möglicherweise ursprünglich zur Originalkamera vorhandene; und die Fernbedienung erweitert auch den Anwendungsbereich, ohne die ursprüngliche Eigenschaft der Kamera zu verändern. Mithin liegt ein Ersatzteil vor. Wenn die Fernbedienung kein Ersatzteil wäre, etwa, weil sie von N. z.B. ursprünglich nicht dafür vorgesehen war, würde sie dem Begriff des Zubehörs unterfallen. Aber auch der Zubehörhandel ist von § 23 Nr. 3 MarkenG geschützt.

In der Artikelbeschreibung wurde der Passus „für“ (N.) wiederholt. Das geschah sehr prominent, nämlich bereits eingangs der Artikelbeschreibung, im Fettdruck, im Großdruck, in Schwarz statt dem dort vorherrschenden Grau sowie unterstrichen.

Definition von Ersatzteil (und Zubehör)

Was sind denn nun aber eigentlich „Ersatzteile“ und „Zubehör“ dogmatisch? Der Kommentar formuliert es so (Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 23 Rn. 113):

„Zubehör oder Ersatzteil für eine andere (Haupt-) Ware“.

Hier ist „Haupt“ schon mal eingeklammert. Während beim Zubehör relativ klar ist, dass Zubehör eine „kleine“ vervollständigende Teilkomponente innerhalb einer größeren Summe weiterer Komponenten ist, die zusammen eine Hauptsache bilden; ohne die die Hauptsache unvollständig wäre („du vervollständigst mich“); welche die Hauptsache notwendigerweise oder nützlicherweise vervollständigen oder ergänzen (rechtshistorisch aus § 97 BGB); ist beim Ersatzteil nicht definitorisch determiniert, dass es ein „kleines“ in Bezug auf eine Hauptsache oder Muttersache sein müsse (das ist nämlich schon das Zubehör), sondern das Ersatzteil kann auch größere Komponenten, bis hin zur Hauptware an sich, ersetzen. Z.B. Ersatz-ICE, Werkstattersatzwagen, Ersatzschirm. Deshalb schreibt Thiering auch völlig zu Recht das „Haupt“ in Klammern.

Ganz unbestritten ist z.B ein Wasserfilter ein Zubehörstück für einen Trinkwasserspender oder eine Kaffeemaschine oder eine Meerwasserentsalzungsanlage. Aber er ist eben auch ein Ersatzteil, und zwar sowohl im Hinblick auf das Gerät, mit dem es korrespondiert, als auch im Hinblick auf das originale Teil, also meinethalben irgendeinen Filter, weil es diesen ersetzt. Vielleicht auch, weil diese Ersatzteile kürzere Lebenszyklen haben (als die Haupt- oder Muttersache), sich also nacheinander im Dienste abwechseln, wobei ein originales Teil dann durchaus auch einmal durch ein nichtorginales abgelöst werden kann, die – gleichwertigen – Ersatzteile sich also in ihren Zyklen untereinander abwechseln, mithin einander ersetzen.

Das macht auch der Bundesgerichtshof in seiner „ersetzt“-Entscheidung (BGH, Urt. v. 2. Oktober 2002 – I ZR 90/00) ganz deutlich, nur dass es dort noch um die „Ersatzteilnummer“ (des „Erstausrüsters“) geht, während die Hersteller bisweilen nun sogar schon eigene Marken für ihre „eigenen“ Ersatzteile registrieren lassen; stellen Sie sich das nur einmal vor! Die Konstellation (Ersatzteilnummer dort; Eigenmarke für das Ersatzteil hier) ist jedoch absolut vergleichbar. Denn die dort wie hier heranzuziehenden Rechtsgrundsätze (etwa die der vergleichenden Werbung), sind die allerselben, nämlich „Partizipation am fremden Ruf“. Es ist also in beiden Fällen gleich, nämlich als zulässig, zu beurteilen, wenn dort ein „ersetzt [Ersatzteilnummer]“ verwendet wird und hier ein „ersetzt [Herstellereigenmarke]“ – weil beides lediglich (ohne weitere Umstände!) und zulässig Partizipation am fremden Ruf darstellt.

Nach alldem ist ein Ersatzteil zu definieren als ein solches, das eine andere Ware „ersetzt“, wobei diese andere Ware eine „Hauptware“ sein kann, aber nicht muss. Dies, weil Thiering das „Haupt“ mithin völlig zu Recht einklammert, denn das bezieht sich auf das Zubehör, nicht aber auf das Ersatzteil; ferner, weil der BGH in „ersetzt“ davon ausgeht, dass das nichtoriginale Ersatzteil das originale Ersatzteil ersetzen darf; und eben aus der Abgrenzung zwischen Zubehör, welches eine Angehörigkeit zur oder Abhängigkeit von der Hauptsache aufweisen darf, und Ersatzteil, dessen „ersetzen“-Eigenschaft unabhängig von der Mengenlehre/Größenlehre ist, also der Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebensache, und sich damit eben auch auf ein gleichwertiges zu ersetzendes Teil beziehen kann. Sonst wären im Übrigen auch all die Ausführungen zum Vergleich wesentlicher, relevanter, nachprüfbarer und typischer Eigenschaften der Erzeugnisse i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG in der „ersetzt“-Entscheidung des BGH nicht veranlasst, denn diese beziehen sich auf einen Vergleich „gleichwertiger“ Teile (nicht: Nebensache zu Hauptsache), also dem Vergleich eines originalen Ersatzteils mit einem nichtoriginalen Ersatzteil.

Der Verweis auf die eigene Marke

Sodann war – im Fall um die Farbe Gelb – ausgeführt: „kein Originalprodukt – Qualitätsware aus dem Hause [Hausmarke des Mandanten]“. Hierdurch wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der angebotenen Fernbedienung nicht um ein Originalprodukt (der Marke N.) handelt. Darüber hinaus war auch gesagt, was – außer, dass es kein N. ist – hier angeboten wird, nämlich ein Produkt aus dem Hause „xyz“; das war das des Mandanten.

Darunter stand im beanstandeten Angebot zu lesen „ersetzt folgendes Original Produkt“. Hier wurde ganz klar und deutlich die Ersatzteileigenschaft der angebotenen Fernbedienung herausgearbeitet, indem klargestellt wurde, dass diese Ersatzfernbedienung bestimmte (dann nachher genannte) Original-Produkte zu ersetzen vermag. Es was expressis verbis, ausdrücklich, gesagt, dass ein Ersatzteil und kein Original-Produkt vorliege. Zur Notwendigkeit für den Käufer, zu wissen, zu welchen Original-Kameras diese Ersatzfernbedienung passt, wurde schon einiges gesagt. Diese Angabe war mithin „notwendig“ im Sinne des Gesetzes, damit der Käufer erkennen kann, ob das Ersatzteil auch zu seinem Haupt-Teil „passt“, vor allem technisch, dass also gerade diese Ersatzfernbedienung eine bestimmte, vom Verkäufer deshalb nennbare, Original N. Kamera auszulösen vermag und nicht das Garagentor des Nachbarn.

War das wirklich notwendig?

Eine Kontrollüberlegung macht deutlich, dass die Angaben des Händlers tatsächlich „notwendig“ im Sinne von § 23 MarkenG waren. Würde er auf die Nennung der Marke verzichten müssen und etwa nur schreiben dürfen „Fernbedienung, passend zu einer Kamera einer bekannten und berühmten Marke“, dann wäre die Bestimmung der Fernbedienung, Ersatzteil (oder Zubehör) nicht hinreichend klar. Das Publikum wüsste nicht, was die „bekannte oder berühmte Marke“ sein könnte. Es müsste raten (dazu gibt es vielleicht das Widerrufsrecht im Fernabsatz :). Passt die Fernbedienung zu einer C.-Kamera oder zu einer P.-Kamera oder vielleicht doch nur zu einer E.-Kamera? Deshalb muss die Beklagte sagen dürfen, dass es sich um ein Ersatzteil handelt, dass zu einer N.-Kamera passt!

Beschriftung des Ersatzteils selbst

Auch auf der Ersatzfernbedienung selbst darf unserer Ansicht nach noch einmal „für“ („for“) N. stehen. Auch diese Angabe ist im Lichte des Vorgenannten notwendig im Sinne des Gesetzes. Das Ersatzteil muss so gekennzeichnet sein, dass seine Zuordnung klar ist, damit auch die richtige Kamera ausgelöst wird. Wenn der Kunde z.B., wie nicht unüblich, mehrere Kameras besitzt, die noch dazu von verschiedenen Herstellern stammen, S., C., P. u.s.w.; dann muss der Kunde erkennen können, welche dieser Kameras durch die gekaufte Ersatzfernbedienung ausgelöst wird, weil es ansonsten zu Fehlfunktionen kommen kann (oder dazu, dass sich versehentlich der Tresor öffnet). Durch den Einsatz des Wortes „für“ war klargestellt, dass es sich um ein Ersatzteil „für“ ein bestimmtes Originalteil handelt. In welcher Farbe jedoch diese Beschriftung ausgeführt werden könnte, das war nun der spannende Punkt! Wir kommen darauf zurück.

Was ist mit einer Produktfotografie?

Ein Lichtbild mit der abgebildeten Ersatzfernbedienung im Angebot stand zudem nicht isoliert werbend im Raum, sondern war vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Artikelbeschreibung und weiteren Angaben im Netz, im Angebot des Händlers, auffindbar, wo zusätzlich, mehrfach, prominent und mithin ausreichend klargestellt war, dass es sich um eine Ersatzteil zu einem Markengerät handelt, welches aber selbst nicht dieser Marke zugehörig ist.

Markenhersteller wollen den Ersatzteilmarkt selbst bespielen

Natürlich ist es das – sagen wir mal: ein Stück weit – nachvollziehbare Anliegen eines jeden Markenherstellers, nur selbst Ersatzteile für seine Markengeräte zu produzieren, um diesen Umsatz allein für sich verbuchen zu können. Der freie Handel erlaubt es aber in unserem Land, dass auch Ersatzteile für Markengeräte produziert werden dürfen, welche nicht vom Markeninhaber selbst sind. Und § 23 Nr. 3 MarkenG schafft den rechtlichen Rahmen dafür, dass die Bestimmung einer Ware, ein Ersatzteil zu sein, durch die insoweit gerechtfertigte Benutzung einer Marke auch publiziert, benutzt werden darf.

Der Mandant verletzte auch die engen Grenzen nicht, die § 23 MarkenG zieht („soweit … notwendig ist“), denn dieser Händler stellte häufig und deutlich dar, dass es sich um ein Ersatzteil und nicht um ein Originalteil handelt. Der Käufer kann, wie gesagt, das Ersatzteil nicht gebrauchen, wenn ihm nicht mitgeteilt wird, zu welchem Originalteil das Ersatzteil passt.

Nichtoriginales Ersatzteil ersetzt originales Ersatzteil

Die Notwendigkeit der Angabe des Originalteils besteht sogar in doppelter Weise. Einmal ersetzt eine Ersatzfernbedienung ja eine originale Fernbedienung (in diesem Fall der Marke N.). Das darf auch gesagt werden! Zum zweiten korrespondiert diese Ersatzfernbedienung nur mit einem Original N. Kameragerät; eine S.-Kamera vermag die Fernbedienung nicht auszulösen. Damit besteht wiederum und zum zweiten das Bedürfnis, mitteilen zu müssen – und im Rahmen von § 23 MarkenG dann auch zu dürfen -, dass es sich um ein Teil „für“ N. handelt.

Was den Handel so ausmacht; die „Freiheit, die ich meine“

Freiheit, die ich meine“ (Max von Schenkendorf), ein politisches Gedicht

Es besteht auch ein Bedürfnis für den – freien! – Handel mit diesem, wie auch jedem anderen Ersatzteil. Denn anders als etwa eine Kamera selbst, ist eine Fernbedienung (als ein gegenüber der Kamera nachgeordnetes, dienendes Teil) einem höherem Verschleiß unterworfen: Sie liegt herum im Handschuhfach, geht möglicherweise schneller verloren etc., weil auf die Fernbedienung weniger Acht gehabt wird, als auf die Kamera selbst. Daher besteht eine durchaus berechtigte Nachfrage nach diesem Ersatzteil. Damit der Käufer es auch für seine, die richtige Kamera kauft, darf die Beklagte angeben, zu welchen Originalgeräten die von ihr angebotene Fernbedienung passt.

Das Verb „ersetzen“ impliziert eine gewisse „Ersatzbedürftigkeit“; denken Sie vielleicht abschließend noch einmal an den Ersatz-ICE der Deutschen Bahn. Und ich muss auch an Kardinal Galen (Ambos oder Hammer) denken; aber das wäre nun wirklich ein völlig anderes Thema. Und es wäre dann auch die Farbe Rot, Kardinalsrot, also Purpur.

Wie ging denn nun die Sache mit der Fernbedienung aus?

Gut, für uns. Mit einem Vergleich. Und einer Kostenquote, nach der die Marke 3/4 und unser Händler nur 1/4 zu tragen hatten. Wir hatten also zu drei Vierteln gewonnen! Der Händler war bereit, darauf verzichten, den Schriftzug auf der Fernbedienung in der Farbe Gelb anzubringen; obwohl die Kammer (Landgericht Düsseldorf, 2a O 271/13) in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hatte, dass die Marke diese Farbe wohl doch nicht nur so ganz für sich allein beanspruchen dürfe, angesichts des Ersatzteilprivilegs. Im Übrigen darf der Mandant seine Fernbedienung auch weiterhin als Ersatzteil „für“ diese Marke offerieren.

Das ist die Freiheit, die ich meine!

Staubsaugerdüsen

Über die wettbewerbliche Eigenart einer Staubsaugerdüse; zugleich auch ein Beitrag zum Ersatzteilgeschäft / Ersatzteilprivileg aus § 23 Nr. 3 MarkenG

Kennen Sie das W.-Werk aus R.? Nein? Nun, Sie würden es aller Voraussicht nach auch dann nicht kennen, wenn ich den Namen, wie aus verständlichen Gründen hier, nicht abkürzen würde. Das W. hielt die vom Mandanten angebotenen Staubsaugerdüsen für unerlaubte Nachahmungen seiner Staubsaugerdüsen, zweier im Verfahren näher benannter Modelle. Zur Begründung berief es sich auf §§ 3, 4 Nr. 3a) und b) UWG, also auf eine vermeintliche vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft seiner Düsen und eine unangemessene Ausnutzung respektive Beeinträchtigung der Wertschätzung der von ihm geschätzten selbigen. Und beantragte eine einstweilige Verfügung gegen den Mandanten. Die es bis vors OLG Düsseldorf nicht bekommen hat! Aber der Reihe nach.

Das Landgericht in Düsseldorf ließ den vermeintlich beeinträchtigten Düsenerzeuger schon eingangs mit ziemlich eindeutigen Worten abblitzen:

„Der Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege kommt nicht in Betracht. Es bestehen erhebliche Zweifel an der wettbewerblichen Eigenart der Staubsaugerdüse R…. Es ist fraglich, ob Endverbraucher mit der äußerlichen Gestaltung von Staubsaugerdüsen überhaupt eine Vorstellung von der betrieblichen Herkunft der Düsen entwickeln. Ungeachtet der Tatsache, dass der äußeren Gestaltung der R… allenfalls ein geringer Grad an wettbewerblicher Eigenart zukommt, kommt hinzu, dass zweifelhaft ist, ob die Düsen überhaupt einen Rückschluss auf ihre betriebliche Herkunft ermöglichen, da sie unter Kennzeichnungen verschiedener bekannter, größerer Unternehmen (B…, S…) veräußert werden. Die Endabnehmer werden daher davon ausgehen, dass die Düsen von verschiedenen Herstellern stammen. Auch wenn Herstellerin dieser Düsen tatsächlich die Antragstellerin sein sollte, dürfte diese für den Endabnehmer durch den Hinweis „powered by W.“ auf der Produktverpackung nicht deutlich werden. Der Vortrag, auch die Düse selbst sei mit einer Marke der Antragstellerin ausgestaltet, ist ohne Substanz, da entsprechende Abbildungen, aber auch Muster der R… oder der angegriffenen Ausführungsform nicht vorliegen.

Soweit die Antragstellerin auf das Verständnis der Großhändler und Staubsaugerhersteller abstellt, mag eine wettbewerbliche Eigenart gegeben sein allerdings dürfte es an einer vermeidbaren Herkunftstäuschung fehlen, weil die mit den Formen und Marken der Hersteller vertrauten Verkehrskreise aufgrund der Rundung des zentralen Gehäuses für den Rohranschluss unschwer erkennen können, dass das Verletzungsprodukt nicht von der Antragstellerin stammt. Zudem fehlt es an der typischen Kennzeichnung mit der Marke der Antragsgegnerin. Im Übrigen ist fraglich, ob die Parteien in dieser Hinsicht im Wettbewerb stehen. …“

LG Düsseldorf, (Hinweis-) Beschluss vom 02.03.2021, Az. 4b O 17/21

Der Antragstellerin wurde aufgegeben mitzuteilen, ob denn überhaupt Termin anberaumt werden solle, ohne den die Kammer nicht entscheiden würde. Das W.-Werk wollte seinen Termin und dieser wurde schriftsätzlich umfänglich vorbereitet. Hier hatte ich dann Gelegenheit, unsere Sichtweise auf die Dinge, die da Staubsaugerdüsen waren, darzulegen. Und das tat ich dann auch:

Über die wettbewerbliche Eigenart einer Staubsaugerdüse

„Die Staubsaugerdüse R… verfügt nicht über wettbewerbliche Eigenart. Endverbraucher verbinden mit der äußerlichen Gestaltung von Staubsaugerdüsen keine Vorstellung von deren betrieblicher Herkunft. Für Verbraucher ist beim Kauf eines Ersatzteils oder Zubehörteils für einen Staubsauger die Marke des Staubsaugers ausschlaggebend, auch der Preis des Ersatzteils. Beim Ersatzteilkauf ist es entscheidend, dass dieses Ersatzteil zur Marke des Staubsaugers passt, wie die Antragstellerseite auch erkannte („Kompatibilität“). Das heißt, beim Ersatzteilkauf gehen die Vorstellungen des Verbrauchers – über die Frage, ob das zu erwerbende Ersatzteil zur Marke (betrieblichen Herkunft) des Staubsaugers passt; „passend zu B…“, „passend zu S…“ – zur betrieblichen Herkunft des Staubsaugers, nicht des Ersatzteils. Beim Ersatzteilkauf sucht der Verbraucher nach der Marke des (hier:) Staubsaugers, nicht nach der Marke des Ersatzteils. Die betriebliche Herkunft des Ersatzteils ist für den Verbraucher ohne Bedeutung. Deshalb macht sich der Verbraucher regelmäßig auch keine Gedanken darüber. Die äußerliche Gestaltung einer Staubsaugerdüse bietet dazu weder Anlass noch Grund. …

Bereits die Vielzahl der von der Antragstellerin selbst in Varianten für die verschiedenen Staubsaugerhersteller auf den Markt geworfenen Staubsaugerdüsen würde es selbst einem besonders verständigen oder sehr gut informierten Verbraucher vollkommen unmöglich machen, Qualitätsüberlegungen hinsichtlich einer dieser Varianten anzustellen, zumal der Verbraucher auch auf andere Qualitäten von Bodendüsen trifft, wie z.B. die von der Antragsgegnerin verkauften, die unter Umständen noch viel herausragender als die von der Antragstellerin sind. …

Ein Staubsauger wird auch nicht als ein mehrteiliges Produkt vom Verbraucher wahrgenommen. Der Staubsauger hat Zubehörteile, die auf Grund erhöhter Beanspruchung von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden müssen. Primärbeispiel dafür ist der Staubsaugerbeutel, wie auch diverse Filter und eben auch die Bodendüse. Das macht einen Staubsauger nicht zum dreigliedrigen Gerät, sondern eben zu einer Hauptsache – der Staubsauger an sich – und Zubehör – die genannten Teile, etwa auch die Bodendüse.“

Aus unserer Antragserwiderung, Hervorhebungen von mir

Keine Rufausbeutung wegen Ersatzteilprivilegs

Es lag meiner Ansicht nach auch keine Rufausbeutung vor. Das wird man bereits mit der gesetzlichen Wertung aus § 23 Nr. 3 MarkenG begründen können und müssen. Schließlich auch damit, dass der Ruf der – im Wege des herstellereigenen respektive herstellergesteuerten Ersatzteilgeschäftes – vertriebenen Ersatzteile (beabsichtigterweise) von der Marke des jeweiligen Staubsaugerherstellers herrührt und nicht von der Bezeichnung (oder betrieblichen Herkunft) eines ihrer Zulieferer.

Über die Vorstellung eines vorteilhaften Saugverhaltens, die Länge des Saugrohres und die Mulde für den Kippschalter

Kurz gesagt, das Landgericht Düsseldorf hat uns Recht gegeben. Und so begründete das LG Düsseldorf seine Entscheidung (u.a.; Hervorhebungen von mir):

„Hingegen kann nicht festgestellt werden, dass die gestalterischen Merkmale der Bodendüse R… geeignet sind, auch gegenüber dem Endverbraucher als Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu dienen.
Der durchschnittlich informierte, angemessen aufmerksame und kritische Verbraucher orientiert sich beim Kauf eines Staubsaugers an der Herstellerkennzeichnung, denn Staubsauger werden üblicherweise als Markenprodukte beworben und vertrieben. Daneben fließen üblicherweise auch technische Leistungsmerkmale und das Design des konkreten Staubsaugers in die Kaufentscheidung mit ein.
Der Verbraucher sieht hingegen in der äußeren Gestaltung der Staubsaugerdüse des konkreten Staubsaugers keine kaufrelevante Eigenschaft. Denn beim Erwerb entscheidet sich der Verbraucher in der Regel für einen Staubsauger als komplettes Paket mit Staubsaugerdüse und Zubehör. Der Verbraucher entwickelt daher mit der Gestaltung einer Staubsaugerdüse keine Vorstellung von der betrieblichen Herkunft der Staubsaugerdüse. Vielmehr liegt das Hauptaugenmerk bei der Kaufentscheidung auf der Marke des Staubsaugers, die sich häufig zudem noch auf der Bodendüse selbst befindet. Umstände, wonach neben der Marke des Staubsaugerherstellers selbst auch die Form der Bodendüse (nebst Kennzeichnung) als eigenständiger betrieblicher Hinweis auf die Herkunft aus einem anderen Unternehmen dient, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher beim Kauf von Staubsaugern regelmäßig davon ausgeht, dass die jeweiligen Einzelteile (Gehäuse, Schlauch, Bodendüse etc.) von unterschiedlichen Herstellern bezogen werden.
Das gilt auch beim Kauf von Ersatzteilen und Zubehör. Dabei stützt der Verbraucher seine Kaufentscheidung ebenfalls nicht auf die Ausgestaltung der Bodendüse selbst. Vielmehr sucht er regelmäßig nach Ersatzteilen für seinen Staubsauger des konkreten Herstellers. Entscheidend ist dabei, dass das Ersatz- bzw. Zubehörteil mit dem Staubsauger selbst kompatibel ist. Schließlich kann auch aufgrund des Umstandes, dass ein umfangreicher Ersatzteil- und Zubehörmarkt besteht, nicht angenommen werden, dass der Verbraucher tatsächlich den Gestaltungsmerkmalen der Bodendüse selbst eine herkunftshinweisende Funktion zuerkennt. Denn dies belegt lediglich ein bestehendes Interesse des Verbrauchers am Kauf von Ersatz- und Zubehörteilen, nicht aber ein solches an Gestaltungsmerkmalen einzelner Staubsaugerteile wie der hier streitgegenständlichen Bodendüse.
An der wettbewerblichen Eigenart fehlt es vor allem deshalb, weil die Bodendüse R…, wie die Verfügungsbeklagte zurecht einwendet, von der Verfügungsklägerin an unterschiedliche Staubsaugerhersteller vertrieben wird, die diese Düse deutlich sichtbar mit ihrer eigenen Marke versehen. Der angesprochene Verbraucher hat regelmäßig keine Veranlassung anzunehmen, dass identische Produkte, die unter verschiedenen Herstellermarken und zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden, vom selben Hersteller stammen. Da es die Funktion der Marke ist, dem Verkehr die Ursprungsidentität des damit gekennzeichneten Produkts zu garantieren, wird der Verkehr vielmehr annehmen, dass verschiedene Marken auf eine unterschiedliche betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte hinweisen (BGH, GRUR 2015, 1012 Rn. 10 – Nivea Blau, BGH, GRUR 2016, 720 Rn. 26 – Hot Sox, OLG Köln, GRUR-RR 2014, 336, 338 – Thermosteckverbinder). Da es sich bei den aufgedruckten Marken auch nicht nur um Handelsmarken, sondern um die Marken bekannter Staubsaugerhersteller handelt, hat der Endabnehmer – auch im Ersatzteilgeschäft – keine Veranlassung, die Bodendüse aufgrund ihrer äußeren Gestaltung einem bestimmten Hersteller zuzuordnen. Die äußeren Gestaltungsmerkmale sind insofern als Herkunftshinweis nicht geeignet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Bodendüse R… der Verfügungsklägerin mit ihrer eigenen Marke versehen ist. Tatsächlich findet sich die Marke in der Mulde für den Kippschalter der Bodendüse. Sie fällt bereits deshalb nicht auf, weil sie aufgrund der Ausprägung im Kunststoff der Düse farblich nicht hervorgehoben ist. Hinzu kommt, dass die Marke der Verfügungsklägerin in einer der beiden Schalterstellungen verdeckt und daher nicht sichtbar ist. Aber auch in der an deren Schalterstellung ist die Marke kaum auszumachen, weil sie in der Mulde von Wänden und dem Schalter umgeben ist, so dass sie nur aus bestimmten Blickwinkeln erkennbar ist. Wird weiterhin davon ausgegangen, dass der Verbraucher bei der Benutzung des Staubsaugers aufgrund der Länge des Saugrohrs von dem Kippschalter regelmäßig weiter entfernt ist, wird er die Marke der Verfügungsklägerin nicht wahrnehmen. Selbst wenn er ihr zufällig gewahr wird, wird er sie mangels Bekanntheit beim Endverbraucher auch in Abgrenzung zur Marke der Staubsaugerhersteller nicht einzuordnen wissen. Denn auch in der Werbung oder in den Abbildungen der Bodendüsen wird die Marke der Verfügungsklägerin nicht herausgestellt.
Etwas anderes gilt nur für die Produktverpackung von „S…“, die neben der Marke der Verfügungsklägerin den Aufdruck „powered by W…“ trägt. Allerdings führt auch dies nicht dazu, dass sich die Bodendüse R… aufgrund ihrer äußeren Gestaltung einem bestimmten Hersteller zuordnen lässt. Denn außer der Marke der Verfügungsklägerin findet sich auf der Produktverpackung auch die Marke „S…“, so dass auch dieses Unternehmen als Hersteller in Betracht kommt. Zudem lässt der Begriff „powered by“ nicht erkennen, dass Hersteller der Bodendüse die Verfügungsklägerin ist, auf die auch die äußere Gestaltung der Düse zurückgeht. Der Begriff – in deutscher Übersetzung etwa „angetrieben durch“ – lässt allenfalls die Vorstellung eines vorteilhafteren Saugverhaltens aufgrund eines technischen Beitrags der Verfügungsklägerin zur Konstruktion der Düse zu, nicht aber die der Herstellereigenschaft der Verfügungsklägerin.“

LG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2021, Az. 4b O 17/21

Die Länge des Saugrohres verhindert die Wahrnehmung der Marke, die in der Mulde für den Kippschalter verborgen ist – Da muss man erst mal drauf kommen! Bemerkenswert, Landgericht Düsseldorf!

Lesen Sie hier das rezensierte Urteil, LG Düsseldorf, 4b 17/21

Eins nach dem anderen

Die Geschichte erhielt eine Dramatik dadurch, dass neben meinem Mandanten ein zweiter Händler verklagt worden war. Mit diesem einigte sich das W.-Werk in wirklich aller letzter Minute vor der Urteilsverkündung, mir wurde dieser Vergleich ebenso angeboten, ich konnte dieses Angebot aber aufgrund dienstlicher Verhinderung erst zwei Tage später zur Kenntnis nehmen. Und so kam es zeitgleich mit dem obsiegenden Urteil bei mir an! Manchmal ist es wirklich gut, die Dinge eins nach dem anderen zu bearbeiten!

Die ganze Geschichte

Wöllte man sie erzählen, würde das einen Blogbeitrag mit Sicherheit sprengen! Hierzu müssen Sie sich schon selbst die ergangenen Entscheidungen durcharbeiten. Dabei wünsche ich schon jetzt viel Vergnügen! Und: Es ging vors OLG. Auch dort haben wir gewonnen! Lediglich der in der mündlichen Verhandlung vor dem LG Düsseldorf von mir erörterte „Beluga-Hügel“ am verteidigten Ersatzteil hat es (mit dieser Formulierung) nicht ins Berufungsurteil geschafft; wohl aber das Ersatzteilprivileg. Das Berufungs-Urteil des OLG Düsseldorf, 15 U 41/21, sehen Sie hier:

Das Widerrufsrecht für den Verkäufer

per Erstattung des Kaufpreises bei Nichtlieferbarkeit / Nichtverfügbarkeit der Leistung

Um es vorwegzunehmen: Der Verkäufer hat kein Widerrufsrecht, zumindest theoretisch. Aber was soll er tun, bei Nichtlieferbarkeit nach Vertragsschluss? Heißt es da nicht pacta sunt servanda? Verträge sind zu halten? Macht er sich nicht schadensersatzpflichtig, der Verkäufer, wenn er nicht liefert? Wir wollen es sehen!

Der Sachverhalt

Der Verkäufer bot in seinem Onlineshop Neuware an. Was er lieferte, habe jedoch angeblich starke Gebrauchsspuren aufgewiesen. Der Käufer reklamierte nebst Bildmaterial und sandte dem Verkäufer die Ware zurück und forderte ihn zur Übersendung von Neuware auf. Der Verkäufer zog noch eine Volte, indem er dem Käufer mitteilte, dass er die Ware dem Hersteller zur Prüfung eingesandt habe, worauf Letzterer antwortete, dass ihn dass nicht interessiere, er Neuware bestellt habe und auf deren Zusendung insistiere.

Daraufhin zahlte der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis zurück! Und dieser verklagte jenen auf Lieferung unbenutzter Neuware, Zug um Zug gegen Zahlung der Kaufsumme. Nun war guter Rat gefragt!

Das Problem

Eine Nachlieferung wurde seinerzeit nicht vorgenommen, da der Artikel bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr beschaffbar war (EOL – End of Life). Und eine Belieferung konnte deshalb auch nicht mehr, überhaupt nicht mehr, vorgenommen werden.

Ein Lösungsansatz: Unmöglichkeit

Der Artikel war nicht mehr beschaffbar. Das heißt, der Verkäufer kann ihn bei keinem seiner Zulieferer mehr bestellen, weil der Artikel nicht mehr lieferbar ist. Hierzu konnte ich die Zeugenaussage des beim Verkäufer angestellten verantwortlichen Mitarbeiters anbieten. Der Erbringung der Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrage stand damit meiner Ansicht nach Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB entgegen. Womit der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist. Diese Einrede habe ich dann auch erhoben.

Was wäre mit Schadensersatz?

Schadensersatz hatte der Käufer nicht beantragt. Dieser Schadensersatz würde sich auch im Bereich der – unstrittig – bereits zur Erstattung geleisteten Kaufpreiszahlung bewegen. Das heißt, wenn der Käufer seine Klage in dieser Situation auf Schadensersatz umgestellt hätte, dann hätte ich Erfüllung gemäß § 362 BGB eingewandt, weil der Verkäufer den Kaufpreis bereits an den Käufer überwiesen hatte. Im Übrigen hatte der Käufer zu Schadensersatz nicht vorgetragen.

Könnte man sich nicht gütlich einigen?

Da der Kaufpreis bereits erstattet wurde, stand auch kein Material mehr für eine gütliche Einigung im Raume. Der Verkäufer hätte dem Käufer sonst anbieten können, ihm den Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten. Was er, wie gesagt, aber bereits getan hatte. Und das war auch unstrittig. Das entspricht der Rechtslage: Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, § 326 Abs. 1 BGB.

Die Lösung

Und so wäre nichts anderes mehr übrig geblieben, als die Klage des Käufers abzuweisen.

Meines Erachtens nach ein gerechtes Ergebnis, denn der Käufer hat seinen Kaufpreis längst zurückerhalten. Der Verkäufer kann den Artikel nicht liefern; die Hauptleistungspflicht ist objektiv und subjektiv unmöglich geworden, § 275 Abs. 1 BGB.

Die Erstattung des Kaufpreises mag den Kaufvertrag nicht aufgelöst haben, Unmöglichkeit, § 275 BGB, steht der Erbringung der Hauptleistungspflicht jedoch dauerhaft entgegen. Hierzu war sogar Zeugenbeweis angeboten. Das Schicksal der Kaufpreiszahlung ist über § 326 Abs. 1 BGB geregelt: Der Anspruch entfällt. Im Ergebnis ist genau das eine gerechte Auflösung des Interessenkonflikts.

Vorsorglich war der Verkäufer auch vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil der Käufer vortrug, ein solcher Rücktritt habe nicht stattgefunden. Nach der hier vertretenen Lösung (§§ 275, 326 Abs. 1 BGB) dürfte es auf einen Rücktritt allerdings nicht mehr ankommen; deshalb war er nur vorsorglich erklärt.

Wie ist es ausgegangen?

Wir wissen es nicht! Oder: Wir wissen es schon! Tja, was soll ich sagen? Der Gegenanwalt hat sein Mandat niedergelegt und der Kläger seine Klage zurückgezogen, nach meiner Klageerwiderung. Wenn es doch immer so einfach wäre! Für mich ein Indiz dafür, dass ich mit meiner Argumentation genau richtig gelegen habe. Und eine Mandatskündigung kann (auch) andere Gründe haben, die ich hier nicht zu vertiefen brauche. Ich empfinde es allerdings schon als Ritterschlag und zwar für mich in diese Falle, wenn ein Kläger seine Klage zurücknimmt, allein auf meine Argumentation hin und wir mithin gar nicht erst des Gerichts bedürfen. Meinen Respekt dem hier natürlich namentlich nicht Genannten! Auch wenn ich damit nun keine zitable Entscheidung habe; dieser Artikel tuts auch.

Was ist mit einem vertraglichen Rücktrittsrecht für den Verkäufer per AGB?

Nun könnte man ja auf die Idee kommen, im Einklang mit § 308 Nr. 8 BGB für diesen Fall der Nichtverfügbarkeit der Leistung eine Klausel zu schreiben, die einen Vorbehalt des Verkäufers begründet, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn er sich gleichzeitig verpflichtet, den Käufer unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und ihm den Kaufpreis unverzüglich zu erstatten. – Wer mich kennt, kennt auch meine Einstellung zu (solchen) AGB.

Also, auch, wenn es kein gesetzliches Rücktrittsrecht für den Verkäufer geben mag, so kann er sich doch für solche Situationen zumindest ein vertragliches Rücktrittsrecht ausbedingen, was jedenfalls zeigt, dass dem Gesetzgeber wenigstens die Idee eines „Widerrufsrechts für Verkäufer“ nicht ganz fremd war! Immerhin!

Braucht man eine solche AGB?

Der vorliegende Fall zeigt: Nein. Es geht auch ohne. Es geht auch mit § 275 BGB – Der Einrede der Unmöglichkeit der Leistung.

Fazit

Der Verkäufer hat dieses faktische Rücktrittsrecht. Er übt es aus durch die Rückzahlung des Kaufpreises. Es muss halt die Ware auch tatsächlich nicht mehr lieferbar sein. Und der Verkäufer muss auf einen verständigen Kunden respektive einen Richter treffen, der die Argumentation gut nachvollziehen kann. Mir jedenfalls ist sie schlüssig. Faktisch hat der Verkäufer dieses „Widerrufsrecht“. Und praktisch übt er es aus, indem er den Kaufpreis zurückzahlt. Und den Kunden angemessen informiert. Wie es ja die Idee des § 308 Nr. 8 BGB ist. Aber es läuft eben auch, ohne, dass man eine solche AGB ausdrücklich implementiert. Zumindest in dem hier besprochenen, aber gerichtlich nicht entschiedenen Fall oder besser gesagt. Fällchen. Allerdings: höchst skalierbarem „Fällchen“!

Sachsen brauche Geld

Einer der merkwürdigsten Fälle, die ich bislang ausfechten durfte, ist nun dieser aus dem Jahre 2017; Rezension zu: OLG Dresden, Beschluss vom 31.07.2017, 14 W 629/17, Vorinstanz: LG Dresden, Beschluss vom 14.06.2017, 44 HK O 59/16.

Einführung

Wer mich kennt, weiß um meine Abneigung gegen vertragsstrafbewehrte Unterlassungserklärungen, weil diese nicht nur den Anspruch erfüllen (§ 362 BGB), sondern auch einen weiteren begründen (den auf Vertragsstrafe), mithin also nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind, sondern meiner Ansicht nach dem Gegner mit dem Vertragsstrafversprechen mehr geben als er eigentlich verdient hat. Das dazu führt, dass ich in der Regel dazu rate, den Anspruch gegen den Mandanten taktisch titulieren zu lassen, um sich im Falle eines – nahezu unvermeidlichen – Verstoßes lieber „in die Hände des gnädigen Gerichts“ zu begeben und Ordnungsgeld an den Staat zu bezahlen als cash Vertragsstrafe an den Gegner. Letzteres heißt ja dann auch: erneute Abmahnung, erneute Abmahnkosten, bei Kerngleichheit des Verstoßes: Forderung des Versprechens einer höheren Vertragsstrafe gegenüber der ursprünglich versprochenen und bei Nichtzahlung der Vertragsstrafe selbstredend auch die Prozesskosten aus dem Vertragsstrafprozess. Da kann ich auch gleich die Unterlassung titulieren lassen. Unterlassungserklärung heißt jetzt billig (Abmahnkosten) und dann teuer (Vertragsstrafe). Taktisches Versäumnisurteil hingegen jetzt teuer (Prozesskosten) und dann billig oder sagen wir mal: etwas preiswerter; weil Ordnungsgeld in der Regel nicht so hoch angesetzt wird wie Vertragsstrafe. Letzteres führt dann im Verstoßfalle zu einem Bestrafungsantrag des Gegners gegen den eigenen Mandanten. So auch hier.

Der Sachverhalt

Eines schönen Tages des Jahres 2017 ruft der Geschäftsführer eines bekannten Abmahnvereins beim Mandanten an und sagt, er hätte einige Verstöße gegen ein Unterlassungsurteil gefunden, das gegen diesen Mandanten ergangen war: Der Mandant könne dort Mitglied werden (Jahresbeitrag 300 Euro) und 2.000 Euro „Strafe“ bezahlen, alternativ dazu Vertragsstrafe von etwa 3.500 Euro, oder der Abmahnverein ginge zu Gericht. Das würde den Mandanten eventuell 7.000 Euro kosten, denn Sachsen brauche dringend Geld. In diesem Zusammenhang fielen dann auch die Worte, dass Blut fließen müsse, für die Verstöße. Wir fanden das überhaupt nicht lustig und ich riet dem Mandanten, ein Gedächtnisprotokoll zu diesem Telefonat nebst Eidesstattlicher Versicherung zu errichten. Dann kam der Ordnungsmittelantrag, weil der Mandant natürlich weder diesem Verein breitgetreten, noch eine Summe Geldes dorthin überwiesen hatte. Gegen diesen Ordnungsgeldantrag wandte ich Rechsmissbrauchs ein.

Interessant aus rechtlicher Hinsicht

Die Rechtsmissbrauchsnorm – heute § 8c Abs. 1 UWG – bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf die Primäransprüche auf Unterlassung (§ 8 Abs. 1 UWG); nicht aber auf einen Anspruch auf Verhängung von Ordnungsgeld wegen Nichtbefolgung eines Untersagungsurteils. Heute ist es vertretbar bis anerkannt, Rechtsmissbrauch auch gegen Sekundäransprüche, wie Abmahnkosten oder Vertragsstrafe einwenden zu können. Und es gibt ja dann auch noch den allgemeinen Rechtsmissbrauchseinwand aus § 242 BGB. Aber gleich in den Durchgriff zu gehen und im Ordnungsmittelverfahren Rechtsmissbrauch einzuwenden, dass war schon einigermaßen sportlich. Für Kenner: Rechtsmissbrauch macht eine Anspruchsdurchsetzung und damit auch ein entsprechendes Rechtsmittel bereits unzulässig (nicht erst unbegründet).

Und so argumentierte ich dann auch

Der Antrag sei unzulässig. Dem Antragsteller fehle das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als von Amts wegen und in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigende Antragsvoraussetzung.

Es sei nicht Sinn und Zweck des staatlichen Ordnungsmittelverfahrens, dem Gläubiger damit Gelegenheit zu geben, eine geldwerte Mitgliedschaft (Jahresbeitrag von 300 Euro) und zusätzliche Zahlungen in beträchtlichem Umfang (hier: 2.000 Euro) zu generieren.

Dieser Zweck korrumpiere das für sich betrachtet legitime Mittel (Stellung eines Ordnungsmittelantrages), so dass sich der Sachverhalt in seiner Zweck-Mittel-Relation als rechtswidrig darstellt und damit neben dem Anfangsverdacht einer versuchten Erpressung dem Antragsgegner eine Einrede zur Hand gibt, die er im Ergebnis erfolgreich dem Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes entgegenhalten kann (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 StGB).

Wenn der Antragsgegner auf das Angebot des Antragstellers eingegangen wäre und eine Mitgliedschaft für einen Jahresbeitrag von 300 Euro begründet hätte und dem Antragsteller 2.000 Euro überwiesen hätte, dann hätte der Antragsteller – seinem Vorschlag folgend – keinen Bestrafungsantrag gestellt. Das mache diesen Antrag unzulässig. Diese Einrede könne auch auf (damals) § 8 Abs. 4 UWG gestützt werden, denn überwiegendes Interesse des mit dem Antrag zusammenhängenden „Vorschlages“ des Antragstellers war es, beim Antragsgegner Kosten zu erzeugen, für eine Jahresmitgliedschaft und durch Zahlung von 2.000 Euro. Durch die Eidesstattliche Versicherung komme außerdem zum Ausdruck, dass antragstellerseitig im Grunde genommen aus monetären Gründen nach Verstößen gesucht werde. Darüber hinaus seien dem Antragsgegner im Telefonat mehrerer Verstöße vorgeworfen worden, die der Antragsgegner aber bis auf einen überhaupt gar nicht begangen hatte. Auch die Höhe eines Ordnungsgeldes war unbotmäßig übertrieben, um den Antragsgegner zu einer außergerichtlichen Zahlung an den Antragsteller zu veranlassen („Sachsen brauche dringend Geld“). Alle diese Umstände würden den Rechtsmissbrauch und damit die Unzulässigkeit des Antrags zeigen.

Die Eidesstattliche Versicherung des Antragsgegners sei glaubhaft. Ihr würde ein Gedächtnisprotokoll zu Grunde liegen, das sich der Antragsgegner unmittelbar nach dem Telefonat angefertigt habe, um die Geschehnisse später vollständig darstellen zu können. Der Antragsgegner würde auch ein, gegenüber der Vermeidung von Ordnungsgeld, vollkommen inadäquates Risiko eingehen, wenn er etwas Falsches an Eides Statt versichern würde. Die Eidesstattliche Versicherung sei nachvollziehbar, detailreich und in ihrer inhaltlichen Aussage überzeugend.

Vergleich Vertragsstrafe und Ordnungsgeld

Ein Vergleich zwischen Vertragsstrafe und Ordnungsgeld ist interessant. Vertragsstrafen fallen ihrer Höhe nach regelmäßig viel höher aus, als dass bei Ordnungsgeldern der Fall ist. Das ist ein Grund, warum sich verständige Kaufleute im zu vermeidenden Verstoßfalle lieber in die Hand des Gerichts begeben im Rahmen des Ordnungsmittelverfahrens, als in die Hand des die Vertragsstrafe nach billigem Ermessen bestimmenden Gläubigers. Ordnungsgeld hat auch einen anderen Normzweck als Vertragsstrafe. Beim Ordnungsgeld geht es um die Durchsetzung des staatlichen Anspruchs auf Befolgung des Unterlassungsurteils. Bei der Vertragsstrafe geht es um die Befriedigung des Gläubigers mit einer Menge Geldes. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Instrumenten ist, dass Vertragsstrafe cash an den Gegner geht, während das Ordnungsgeld an den Staat gezahlt wird. Aus dieser unterschiedlichen Rechtsnatur folgt alles andere als die Parallelität der jeweiligen Höhe. Beim Ordnungsmittelverfahren behält der Staat das Gewaltmonopol in der Hand; bei der Vertragsstrafe werden die Parteien selbst auf das „Faustrecht“ verwiesen. Bei Vertragsstrafe ist die Korrekturmöglichkeit nur subsidiär, wenn nämlich das Gericht angerufen wird für den Fall, dass die Vertragsstrafe unangemessen hoch sei. Und trotzdem laufen diese Vertragsstrafverfahren meinem Vorurteil bis meiner Beobachtung nach in der Praxis so ab, dass die Hälfte von dem zugesprochen wird, was beantragt wurde, und also nur genügend zu beantragt werden braucht, damit am Ende Nennenswertes hängenbleibt.

Später habe ich dann noch einige Register mehr gezogen:

„Indem der Antragsteller nun das staatliche Ordnungsgeldverfahren als Instrument dazu zweckentfremdet, den Antragsgegner zu einer Mitgliedschaft und einer Vertragsstrafzahlung (die der Antragsgegner nicht versprochen hat!), zu bestimmen, missbraucht der Antragsteller das staatliche Ordnungsmittelverfahren, weil es nicht Sinn des staatlichen Ordnungsmittelverfahren ist, dem Gläubiger ein Druckmittel in die Hand zu geben, um mehr Mitglieder zu generieren und nichtversprochene Vertragsstrafen einzukassieren. Sondern einzig der Durchsetzung der Befolgung des Unterlassungsurteils dient, welches eben nicht im Sanktionsfall eine Zwangsmitgliedschaft des Antragsgegners beim Antragsteller und eine Vertragsstrafzahlung an ihn vorsieht. Der Antragsteller benutzt das Ordnungsmittelverfahren dazu, etwas zu erlangen, auf das er keinen Anspruch hat, Geldzahlung und Mitgliedschaft. Das ist aber ganz klar eine Zweckentfremdung des Ordnungsmittelverfahrens.“

Mit der Konsequenz, dass der gestellte Antrag unzulässig sei, weil ihm das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehle, er mithin rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB plus heute § 8c Abs. 1 UWG) und sogar sittenwidrig (§ 138 BGB) sei. Ich hatte auch den Einwand aus § 4a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UWG erhoben, denn mit dem Anruf beim Antragsgegner wurde seine Entscheidungsfreiheit, beim Antragsteller Mitglied zu werden oder nicht, durch Nötigung und unzulässige Beeinflussung beeinflusst. Der Antragsgegner wollte auf keinen Fall in der Mitgliederliste eines Abmahnvereins geführt werden, deshalb war eine Mitgliedschaft für ihn dort, auch wenn das billiger wäre, keine Option. Was der Antragsteller hier tat, sei progressive Mitgliederwerbung (vgl. § 16 Abs. 2 UWG). Ausdrücklich hatte ich auch den Schikaneeinwand (§ 226 BGB) erhoben. In § 226 BGB heißt es:

„Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.“

Genau diese Voraussetzungen waren erfüllt. Der Gläubiger hat zwar das Recht einen Bestrafungsantrag zu stellen. Aber er verwirkt dieses Recht, wenn der Gläubiger diesen Antrag nur deshalb stellt, weil der Schuldner kein Mitglied beim Gläubiger geworden ist und ihm keine Vertragsstrafe gezahlt hat.

Das Landgericht hat mir Recht gegeben! Landgericht Dresden, Beschluss vom 14.06.2017, 44 HK O 59/16:

Und der Abmahnverein hat sich dagegen beschwert.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens war dann wiederum Gelegenheit, das eine oder andere noch zu vertiefen.

Zur Anwendbarkeit von § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8c Abs. 1 UWG nF

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF im Ordnungsmittelverfahren anwendbar. Bereits seinem Wortlaut nach bezieht sich diese Norm auf „die Geltendmachung“ der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche.

Zur „Geltendmachung“ eines Anspruchs gehört etwa die Abmahnung. Unter Vorliegen der Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs kann dieser Einwand anerkanntermaßen bereits einer Abmahnung entgegengehalten werden. Daran ist bemerkenswert, dass die Vorverlagerung der Einrede zeitlich so weit nach vorn geht, dass in diesem Stadium ein gerichtliches Verfahren überhaupt noch nicht begonnen haben muss. Der Geltendmachung der Einrede steht es nicht entgegen, dass ihre Anwendbarkeit gegenüber einer Abmahnung nicht ausdrücklich in § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF angesprochen ist.

Damit muss die Einrede in einem gerichtlichen Verfahren, wie dem Ordnungsmittelverfahren, dass, wie das Landgericht mehrfach und zu Recht festgestellt hatte, der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs, mithin seiner „Geltendmachung“ diene, erst recht anwendbar sein. Wenn also der Rechtsmissbrauch bereits in der Abmahnstation gerügt werden kann, dann muss es auch möglich sein, Rechtsmissbrauch in der Vollstreckung – also im Ordnungsmittelverfahren – zu rügen.

Rechtsnatur der Einrede des Rechtsmissbrauchs

Seiner Rechtsnatur nach ist der Einwand aus § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF eine materiell-rechtliche Einrede, die sich aber bereits in der Zulässigkeitsprüfung eines Rechtsmittels auswirkt und ggf. auch niederschlägt, welches der „Geltendmachung“ eines Unterlassungsanspruchs dient und deswegen von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens geprüft werden muss, was einen entsprechenden Sachvortrag der sich darauf berufenden Partei voraussetzt. Ein solches Rechtsmittel ist auch der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes. § 890 ZPO nimmt die „Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen“ in Bezug. Diese Verpflichtung war der titulierte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG. Demnach bezog sich das Verfahren über die Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag auf einen Unterlassungsanspruch und diente also mithin seiner „Geltendmachung“.

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist auch im Ordnungsmittelverfahren anwendbar, weil sich der den Rechtsmissbrauch begründende Tatbestand (sachfremde Forderung von Vertragsstrafe, Instrumentalisierung des Gerichts, indem damit gedroht wurde, dass Gericht werde ein unverhältnismäßig hohes Ordnungsgeld verhängen, unangemessene weitere Einzelheiten des Telefonats, wie der Freistaat Sachsen brauche Geld oder Blut müsse fließen) erst in der Vollstreckungsstation gezeigt hat und nicht schon vorher, etwa bei der Abmahnung oder im Erkenntnisverfahren, es sei denn, der Gläubiger hätte vorgetragen, dass er es bereits von vorn herein darauf, nämlich auf Vertragsstrafe, abgesehen hätte, wofür immerhin hätte sprechen können, dass er sie beanspruchte, obwohl sie nicht versprochen war.

Weitere Einreden

Selbst wenn § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF nicht anwendbar wäre, so könnte die ihrer Art nach selbe Einrede nicht nur, wie der Gläubiger selbst schrieb, auf § 242 BGB gestützt werden, sondern auch auf die allgemeine Vorschrift des § 226 BGB, und zwar jeweils ohne, dass die Einrede dadurch entwertet würde oder qualitative Einbußen erführe. Hinzu kam, dass durch den gegebenen Sachverhalt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Ordnungsmittelantrag entfiel, der Schuldner die Einreden aus § 138 BGB, aus § 4a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UWG erhoben hat und dem Antrag auch § 16 Abs. 2 UWG einredeweise entgegengehalten wurde; hinzu kam § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 StGB.

Insbesondere zum Schikaneeinwand, § 266 BGB, war zu sagen, dass die Ordnungsmittelverhängung den Schuldner dafür bestrafen sollte, dass er auf den „Vorschlag“ des Gläubigers (Mitgliedschaft und Geldzahlung an den Gläubiger) nicht eingegangen war, mithin also sollte die Ausübung des Rechts (Antragstellung Ordnungsmittelverfahren) nur den Zweck haben konnte, dem Schuldner Schaden (Zahlung eines Ordnungsgeldes) zuzufügen.

Wahlmöglichkeit zwischen Vertragsstrafe und Ordnungsmitteln?

Entgegen der Ansicht des Gläubigers, wird ein Unterlassungsanspruch nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung „abgesichert“. „Absicherung“ intendiert eine einseitig im Verfügungsbereich des Gläubigers liegende Maßnahme, was aber eine Unterlassungserklärung gerade nicht ist. Es steht dem Schuldner frei, durch Abgabe einer solchen den Unterlassungsanspruch zu erfüllen. Der Schuldner kann aber auch den behaupteten Unterlassungsanspruch zunächst unerfüllt lassen und den Sachverhalt einer gerichtlichen Klärung zuführen und wird dann ggf. durch eine gerichtliche Entscheidung zur Unterlassung angehalten. Das wird ein Schuldner dann bevorzugen, wenn er Zweifel am Bestehen des Unterlassungsanspruchs hegt oder Ordnungsmittel im Verstoßfalle generell den Vorzug gibt gegenüber Vertragsstrafzahlungen, weil er sich für den Verstoßfall lieber in die Hand des Gerichts begibt als in die Hand des nach Ermessen Vertragsstrafe fordernden Gläubigers. Wenn der Schuldner den Weg des Ordnungsmittels wählt, dann kann der Gläubiger keine Vertragsstrafe fordern. Fehlt eine Unterlassungserklärung, gibt es schlicht keine Anspruchsgrundlage für Vertragsstrafe. Das musste vielleicht auch einmal in aller Deutlichkeit ausgesprochen werden. Die Forderung einer Geldzahlung und einer Mitgliedschaft, verbunden mit der Drohung, man werde widrigenfalls Ordnungsgeld beantragen, stellt aber in seiner Zweck-Mittel-Relation deshalb eine Verfehlung dar, weil das Mittel (Telefonat, Drohungen, Vertragsstrafforderungen, Forderung der Mitgliedschaft etc.) nicht legitim ist, weshalb die Einrede hier auch zu Recht erhoben worden war. Das Zahlungsverlangen war verwerflich, weil es mangels Unterlassungserklärung dafür keinen Rechtsgrund gab, und weil es sich in seiner Zweck-Mittel-Relation und auch auf Grund der Drohungen als rechtsmissbräuchlich darstelle.

Der Gläubiger hatte keine Wahlmöglichkeit zwischen Vertragsstrafe und Ordnungsmittelantrag, weil er über keine zu Vertragsstrafe berechtigende Unterlassungserklärung verfügte. Deshalb konnte er auch nicht zwischen Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung und Ordnungsmitteln wählen. Und deshalb durfte er nicht – über die Drohung mit der Verhängung von Ordnungsmitteln – Vertragsstrafe fordern, was wegen Entfremdung des Mittels den Zweck des Vertragsstrafverfahrens korrumpiert.

Der Gläubiger hatte den Schuldner bedroht und unter Druck gesetzt. Diese Drohung war das Gegenteil einer Einigung, zumal es dem Gläubiger nicht nur um die Zahlung einer Summe Geldes ging, sondern darüber hinaus auch um eine geldwerte Mitgliedschaft des Schuldners beim Gläubiger. Es wäre dogmatisch falsch, Vertragsstrafe als Alternative zum Ordnungsmittel anzuerkennen in Fällen wie diesem, wo es keine auf Vertragsstrafe lautende Unterlassungserklärung gibt. Denn sonst wäre eine Unterlassungserklärung überflüssig und der Anspruchsteller könnte immer gleich die Zahlung von Geld fordern, auch wenn das nicht versprochen worden wäre. Das wäre contra legem, denn § 12 Abs. 1 UWG aF / § 13 Abs. 1 UWG nF sieht es vor, dem Abgemahnten die Abgabe einer Unterlassungserklärung anzubieten. Aus § 12 Abs. 1 UWG aF / § 13 Abs. 1 UWG nF folgt allerdings auch, dass, wenn der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung abgegeben hat, der Anspruchsteller dann auch keine Vertragsstrafe fordern kann. Logisch oder?

Zum Rechtsmissbrauch im Einzelnen

Rechtsmissbrauch lag in der Zweckentfremdung des Ordnungsmittelverfahrens zur Generierung von Geldzahlungen und einer geldwerten Mitgliedschaft und auch in der rechtswidrigen Zweck-Mittel-Relation. Das nämlich ein an und für sich legitimes Mittel (Stellung eines Bestrafungsantrag bei Verstoß) zur Verfolgung eines illegitimen Zwecks (Zahlung nicht versprochener Vertragsstrafe, Mitgliedschaft) verwendet wird. Das eingesetzte Druckmittel (Blut müsse fließen, der Freistaat Sachsen brauche Geld) machte die Anspruchsausübung bereits deshalb rechtswidrig, weil bereits der Einsatz dieses Druckmittels (Drohung) rechtswidrig war. Hinzu kam, dass der Gläubiger dem Schuldner mit höheren Ordnungsmitteln gedroht hat, als im Regelfall bei einem Erstverstoß festgesetzt worden wären.

Darüber hinaus unterstellte der Gläubiger der Sächsischen Justiz sachfremde Erwägungen! Indem er behauptete, das Gericht würde allein schon deshalb eine hohe Vertragsstrafe gegen den Schuldner festsetzen, weil Sachsen Geld brauchen würde. Und der Gläubiger drohte dem Schuldner damit. Das ist etwas, das sich die Rechtspflege nicht zu bieten lassen braucht, wenn ich da mal für die Kollegen in den Roben mit Samtbesatz sprechen darf.

Zur Rechtsgrundlage sieht man nun entweder, wie es das Landgericht richtigerweise getan hat, dass § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF auch im Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet, weil das Ordnungsmittelverfahren der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs dient, wie es auch schon der Wortlaut der Norm sagt. Es ist anerkannt, dass sich das verwerfliche im Vordergrund stehende monetäre Interesse, was die Anspruchsdurchsetzung rechtswidrig macht, nicht nur im Aufwendungsersatz und den Rechtsverfolgungskosten (beides in § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF ausdrücklich genannt) erschöpft, sondern sich auch durch die Forderung überhöhter Vertragsstrafe ausdrücken kann; vorliegend kam hinzu, dass die Vertragsstrafe nicht versprochen war, zudem eine Mitgliedschaft verlangt wurde und mit Drohungen Druck aufgebaut wurde. Das sind überwiegend sachfremde und für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele, die als eigentliche Triebfeder und als beherrschendes Motive der Verfahrensführung, auch des Ordnungsmittelverfahrens, erscheinen (vgl. LG Dresden a.a.O. unter Rückgriff auf die Mißbrauchsdefinition, Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 8, Rn. 4.10). Das Landgericht hatte zu Recht festgestellt, dass der Gläubiger den Schuldner mehrfach bedroht hat, insbesondere äußerte, es müsse „Blut fließen“. Sachfremd war, anzunehmen, das Gericht werde ein hohes Ordnungsgeld verhängen, weil Sachsen Geld brauchen würde. Das Landgericht hatte auch gesehen, dass der Schuldner diese Drohungen ganz bewusst ausgesprochen hatte. Die alleinige Verfolgung der sachfremden Ziele hat den Antrag rechtsmissbräuchlich gemacht.

Selbst wenn man § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF nicht anwenden wöllte, blieben Schikaneverbot (§ 226 BGB), der Einwand aus § 16 Abs. 2 UWG (progressive Mitgliederwerbung), der Einwand aus § 4a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UWG, Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) sowie der Entfall des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses für den Bestrafungsantrag. Es standen also normativ genügend anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Einreden zur Verfügung, die der Schuldner auch sämtlich alle erhoben hat. Hinzu tritt unserer Ansicht nach aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 StGB (Erpressung) als Einrede.

Die Vertragsstrafe, die der Gläubiger dem Schuldner „angeboten“ hatte, war auch nicht niedriger als ein zu erwartendes Ordnungsgeld, weil das Ordnungsgeld geringer ausgefallen wäre, als der Gläubiger es darstellte (weil der Umstand, ob Sachsen Geld braucht kein Kriterium im Ordnungsmittelverfahren ist); weil zur Vertragsstrafe ein Mitgliedsbeitrag für eine unbestimmte Zeit treten sollte und weil Ordnungsmittel in der Erstfestsetzung erfahrungsgemäß weit unter den für Erstverstöße geforderten Vertragsstrafen liegen.

Und so hat es das Oberlandesgericht Dresden dann auch ausgeurteilt und mir damit abermals Recht gegeben. Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 31.07.2017, 14 W 629/17:

Die leere Paketbox

Rezension von Amtsgericht Pirna, Endurteil vom 03.11.2023, Az.: 13 C 272/23

Der Fall ist schnell erzählt:

Der Käufer bestellte, bezahlte und erhielt die Waren geliefert. Einen Tag später widerrief er den Kaufvertrag und wollte seinen Kaufpreis zurück. Die Kaufsache allerdings langte nicht beim Händler ein! Der Käufer klagte und wies einen DHL-Einlieferungsbeleg vor. Der Händler – vertreten durch mich – verweigerte die Rückzahlung des Kaufpreises.

Wir konnten ein Schreiben der DHL vorlegen, das bestätigte, dass die Paketbox leer war:

„Vor dem Hintergrund des leeren Faches der Packstation, müssen wir bestreiten, dass die Sendung zur Beförderung übergeben worden ist.“

Dagegen legte der Kläger eine Eidesstattliche Versicherung seiner Mutter vor, „welche das Einlegen des entsprechenden Pakets beobachtet haben will“, wie es das Amtsgericht Pirna vornehm-zurückhaltend ausdrückte.

Schließlich hat das Gericht sogar eine Mitarbeiterin der DHL schriftlich als Zeugin vernommen:

„Diese hat erneut bestätigt, dass der zuständige Mitarbeiter der DHL keine Warensendung des Klägers in der Packstation vorgefunden habe. Eine entsprechende Sendung sei auch im Lager der DHL für Fundsendungen vorhanden. Die Zeugin hat zugleich aber klargestellt, dass sie nicht abschließend beurteilen könne, ob der Kläger die Sendung tat sächlich gar nicht erst in die Packstation eingelagert hätte oder ein Fehler des entleerenden Mitarbeiters bzw. ein technischer Fehler vorlag. Sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass der Sendungsbeleg letztlich automatisch generiert wird und daher kein sicherer Nachweis dafür sei, dass die Sendung auch tatsächlich in die Packstation eingelegt worden ist.“

Mit der Aussage der Mutter hat sich das Gericht – sehr zu Recht! – kritisch auseinandergesetzt:

„Die vorliegende schriftliche Aussage der Mutter des Klägers ist extrem knapp gehalten und beschränkt sich im Wesentlichen auf eine stichwortartige Aufzählung der Handlungen, welche die Zeugin wahrgenommen haben will. Auch der Kläger selbst hat nach einem entsprechenden Vorhalt des Beklagten jedenfalls nicht eindeutig bestritten, dass die schriftlichen Aussagen unterschriftsreif vorgefertigt gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sind die Angaben der Mutter des Klägers nicht ausreichend, um die oben beschriebene Unsicherheit über den tatsächlichen Hergang zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich auszuräumen.“

Das ging dann folgerichtig auch zu Lasten des Klägers.

Rechtliche Einordnung und Beweiswürdigung

Erinnern Sie sich an die Muster-Widerrufsbelehrung? Steht da nicht der Satz:

„Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.“?

Ich glaube, das ist der einzige für Händler günstige Satz in der Widerrufsbelehrung!

Der war dann auch die Lösung des Falles: Der Händler berief sich auf sein Zurückbehaltungsrecht aus § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB.

Der Kläger konnte den Nachweis nicht erbringen, dass er die Waren abgesandt hatte.

Dem stand schon die Bestätigung der DHL entgegen, dass die DHL das Paketfach leer vorgefunden hat. Wie der Kläger den Einlieferungsbelegt erzeugt hatte, konnte anfänglich noch nicht erklärt werden. Der Bescheinigung von DHL würde jedoch ein höherer Beweiswert beizumessen sein, da die DHL gegenüber Einem von Millionen persönlich unbekannten Kunden keinerlei Belastungstendenz nachzusagen sein dürfte, während der Kläger in Person einen, vermeintlich für ihn günstigen Beleg präsentierte. Selbst wenn man dabei zu dem Ergebnis käme, dass Aussage gegen Aussage stünde, wäre damit kein Beweis erbracht. In jedem Falle aber stünde die Bescheinigung der DHL der Behauptung des Klägers, er habe die Rücksendung in die Paketbox eingelegt, effektiv entgegen; diese Behauptung war damit widerlegt.

Auch die Regelung nach § 355 Abs. 3 Satz 4 BGB, wonach bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Unternehmer trage, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Weil die Rücksendung überhaupt noch nicht begonnen hatte! Die DHL hatte nichts vorgefunden, was sie hätte befördern können. Die Regel des § 355 Abs. 3 Satz 4 BGB deckt den Zeitraum der Rücksendung ab; der Verbraucherverkäufer soll für den Transporteur einstehen. Die Regel deckt keine Zeiträume vor Beginn oder mangels Beginnes der Rücksendung ab. Diese Verantwortung liegt in der Tat beim Käufer. Nachdem nun die DHL bestätigte, dass sie mit der Rücksendung überhaupt noch nicht begonnen hatte und mangels Rücksendegutes auch nicht beginnen konnte, konnte die Gefahrtragungsregel nicht greifen.

Die Einlieferungsbeleg ist maschinell erzeugt („noreply@dhl.de“), während die nachträgliche Bestätigung der DHL von einem realen Menschen, die später als Zeugin schriftlich aussagte, erteilt worden war. Bereits der Bestätigung der DHL, dass die Paketbox leer gewesen sei, dürfte ein höherer Beweiswert gegenüber dem Einlieferungsbeleg beizumessen sein. Man könnte sogar in der Bestätigung der DHL, dass die Box leer gewesen ist, eine Berichtigung der Aussage des „Einlieferungsbeleges“ sehen. So dass auch die Frage, wie der Einlieferungsbeleg entstanden ist, die möglicherweise auch nur mit strafrechtlichem Instrumentarium zu beantworten wäre, an dieser Stelle dahinstehen konnte. Da auch von keinen Einbruchsspuren an der Paketbox die Rede war, war es sehr wahrscheinlich, dass in diese Paketbox nichts eingelegt wurde. Die DHL jedenfalls hat die Box unversehrt und leer vorgefunden. Und das auch bestätigt.

Eine leere Box ist nun einmal eine leere Box

Für diese Leere in der Box kann der Betreiber der Box nicht verantwortlich gemacht werden; erst recht nicht der potentielle Empfänger der Rücksendung. Mangels eines Gutes, das untergehen könnte, greifen auch die Regeln über den Untergang von Gütern hier nicht ein.

Was mangels Existenz in dieser Box nicht untergehen kann, kann auch nicht zu Lasten einer Partei oder zugunsten der anderen untergehen. Kurz: Was von vornherein gar nicht da ist, das kann auch nicht untergehen.

Den Einlieferungsbelg kann man problemlos selbst an der Packstation erzeugen, unabhängig davon, ob man ein Paket eingelegt hat.

Der Ablauf ist der Folgende:

  • DHL Label erstellen
  • an der Packstation Barcode einscannen
  • es öffnet sich ein Paketfach und man wird aufgefordert, ein Paket dort einzulegen
  • Paket einlegen oder auch nicht (letzteres könnte eine Strafbarkeit nach sich ziehen)
  • Am Display wird abgefragt, ob ein Paket eingelegt wurde und man muss dies auf dem Display bestätigen. Dies geht auch ohne Einlegen eines Paketes, da es keine Waage oder elektronische Überwachung des Faches (z.B. Kamera) gibt (Disclaimer wie eben!).
  • Danach erhält man eine Einlieferungsbestätigung

So lautete dann auch die schriftliche Zeugenaussage der DHL:

„Ob der Kunde die Sendung tatsächlich eingelegt hat, kann erst durch unseren Mitarbeiter bei Entleerung der Packstation erfolgen. Dieser hat im konkreten Fall, wie bereits dargelegt, gescannt, dass sich in dem Packstationsfach, in welchem die Sendung eingelegt worden sein soll, keine Sendung befunden hat.“.

Das beweist nicht, dass ein Paket eingelegt wurde. Vielmehr dürfte es nach dieser Zeugenaussage erwiesen sein, dass der Kläger kein Paket in die Packstation eingelegt hat. Damit wäre sogar der Gegenbeweis erfolgreich geführt.

Demgegenüber vermochte die schriftliche Zeugenaussage der Mutter des Klägers nicht zu überzeugen. An der Glaubwürdigkeit waren Abstriche zu machen, denn sie ist die Mutter des Klägers und dürfte nach allgemeiner Lebenserfahrung die Tendenz haben, das Vorbringen ihres Sohnes zu unterstützen. Zudem war die Aussage formelhaft („anwesend war oder festgestellt hat“). Das Formular war semiprofessionell vorgefertigt und lediglich unterschrieben. Die Aussage war hinsichtlich des angeblichen Einlegens des Paketes nicht detailhaft und inhaltsreich, sondern punktuell und nichtssagend. Die Aussage ging im Grunde genommen inhaltlich nicht über den Parteivortrag hinaus; ihr Beweiswert war daher von vorn herein eingeschränkt bis nicht vorhanden. Es war auch kein Datum angegeben, wann die Zeugin die angeblichen Wahrnehmungen gehabt haben wollte; weiterführende Anhaltspunkte oder Umstände, die dem Gericht eine Einordnung und unabhängige Beweiswürdigung überhaupt erst ermöglichen hätten können, fehlen. Im Übrigen gab es für eine schriftliche Zeugeneinvernahme dieser Zeugin keine gerichtliche Anordnung. Damit fehlte die Rechtsgrundlage für diese „Zeugeneinvernahme“; sie wirkte auch etwas „vorgeschoben“ und konstruiert; mithin unglaubhaft.

Es bestehen unserer Ansicht nach sogar Anhaltspunkte für eine in Betracht kommende Strafbarkeit; insbesondere in Zusammenschau mit der – angeordneten – schriftlichen Zeugeneinvernahme der DHL, die eben ganz anders lautete!

Aus Sicht des Klägers standen hier bestenfalls Aussage gegen Aussage; auch damit wäre der ihm obliegende Beweis nicht erbracht.

Das Amtsgericht Pirna ist uns hier erfreulicherweise in allen Punkten gefolgt!

Und die Moral von der Geschicht‘

Die Sache war semiprofessionell aufgezogen und wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine „Masche“ vorliegt. Das führt zu der Frage, wie viele Onlinehändler – in vielleicht vergleichbaren Fällen – auf so eine Geschichte hereinfallen würden: Widerruf, Kaufpreisrückforderung; aber eben eine leere Paketbox bei der Einlieferung der zurückzugebenden Kaufsache in eine Packstation der DHL (oder eines anderen Logistikers).

Es lohnt sich, die Dinge auch in so „kleinen“ Fällen kritisch zu hinterfragen und sorgfältig zu prüfen. Onlinehändler wissen, gutlaufende Produkte können schnell mal in Serie gehen.

Lesen Sie hier die Entscheidung im Original; ein kleines Fehlerchen – Wer findet es? – ist bereits zur Berichtigung beantragt:

Inzwischen gibt es einen nicen Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts Pirna vom 29. Februar 2024, dem zusätzlichen Tag, den es wohl aller vier Jahre einmal gibt. Auch im Berichtigungsverfahren konnte sich der Kläger mit seiner Rechtsansicht nicht durchsetzen. Das Vorhandensein eines 29. Februar – von Zeit zu Zeit – zeigt, wie schwer es uns doch fällt, einen nach menschlichen Maßstäben perfekten Kalender an die unendliche Perfektion des Universums anzupassen. Das ist wie, wenn in einem Urteil mal das kleine Wörtchen „nicht“ fehlen würde, was natürlich genau so selten vorkommt. Und falls doch, sofort berichtigt wird; auf Antrag natürlich. Also wieder einmal: Ein Lob des Lesens und ein Dank nach Pirna!