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Sachsen brauche Geld

Einer der merkwürdigsten Fälle, die ich bislang ausfechten durfte, ist nun dieser aus dem Jahre 2017; Rezension zu: OLG Dresden, Beschluss vom 31.07.2017, 14 W 629/17, Vorinstanz: LG Dresden, Beschluss vom 14.06.2017, 44 HK O 59/16.

Einführung

Wer mich kennt, weiß um meine Abneigung gegen vertragsstrafbewehrte Unterlassungserklärungen, weil diese nicht nur den Anspruch erfüllen (§ 362 BGB), sondern auch einen weiteren begründen (den auf Vertragsstrafe), mithin also nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind, sondern meiner Ansicht nach dem Gegner mit dem Vertragsstrafversprechen mehr geben als er eigentlich verdient hat. Das dazu führt, dass ich in der Regel dazu rate, den Anspruch gegen den Mandanten taktisch titulieren zu lassen, um sich im Falle eines – nahezu unvermeidlichen – Verstoßes lieber „in die Hände des gnädigen Gerichts“ zu begeben und Ordnungsgeld an den Staat zu bezahlen als cash Vertragsstrafe an den Gegner. Letzteres heißt ja dann auch: erneute Abmahnung, erneute Abmahnkosten, bei Kerngleichheit des Verstoßes: Forderung des Versprechens einer höheren Vertragsstrafe gegenüber der ursprünglich versprochenen und bei Nichtzahlung der Vertragsstrafe selbstredend auch die Prozesskosten aus dem Vertragsstrafprozess. Da kann ich auch gleich die Unterlassung titulieren lassen. Unterlassungserklärung heißt jetzt billig (Abmahnkosten) und dann teuer (Vertragsstrafe). Taktisches Versäumnisurteil hingegen jetzt teuer (Prozesskosten) und dann billig oder sagen wir mal: etwas preiswerter; weil Ordnungsgeld in der Regel nicht so hoch angesetzt wird wie Vertragsstrafe. Letzteres führt dann im Verstoßfalle zu einem Bestrafungsantrag des Gegners gegen den eigenen Mandanten. So auch hier.

Der Sachverhalt

Eines schönen Tages des Jahres 2017 ruft der Geschäftsführer eines bekannten Abmahnvereins beim Mandanten an und sagt, er hätte einige Verstöße gegen ein Unterlassungsurteil gefunden, das gegen diesen Mandanten ergangen war: Der Mandant könne dort Mitglied werden (Jahresbeitrag 300 Euro) und 2.000 Euro „Strafe“ bezahlen, alternativ dazu Vertragsstrafe von etwa 3.500 Euro, oder der Abmahnverein ginge zu Gericht. Das würde den Mandanten eventuell 7.000 Euro kosten, denn Sachsen brauche dringend Geld. In diesem Zusammenhang fielen dann auch die Worte, dass Blut fließen müsse, für die Verstöße. Wir fanden das überhaupt nicht lustig und ich riet dem Mandanten, ein Gedächtnisprotokoll zu diesem Telefonat nebst Eidesstattlicher Versicherung zu errichten. Dann kam der Ordnungsmittelantrag, weil der Mandant natürlich weder diesem Verein breitgetreten, noch eine Summe Geldes dorthin überwiesen hatte. Gegen diesen Ordnungsgeldantrag wandte ich Rechsmissbrauchs ein.

Interessant aus rechtlicher Hinsicht

Die Rechtsmissbrauchsnorm – heute § 8c Abs. 1 UWG – bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf die Primäransprüche auf Unterlassung (§ 8 Abs. 1 UWG); nicht aber auf einen Anspruch auf Verhängung von Ordnungsgeld wegen Nichtbefolgung eines Untersagungsurteils. Heute ist es vertretbar bis anerkannt, Rechtsmissbrauch auch gegen Sekundäransprüche, wie Abmahnkosten oder Vertragsstrafe einwenden zu können. Und es gibt ja dann auch noch den allgemeinen Rechtsmissbrauchseinwand aus § 242 BGB. Aber gleich in den Durchgriff zu gehen und im Ordnungsmittelverfahren Rechtsmissbrauch einzuwenden, dass war schon einigermaßen sportlich. Für Kenner: Rechtsmissbrauch macht eine Anspruchsdurchsetzung und damit auch ein entsprechendes Rechtsmittel bereits unzulässig (nicht erst unbegründet).

Und so argumentierte ich dann auch

Der Antrag sei unzulässig. Dem Antragsteller fehle das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als von Amts wegen und in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigende Antragsvoraussetzung.

Es sei nicht Sinn und Zweck des staatlichen Ordnungsmittelverfahrens, dem Gläubiger damit Gelegenheit zu geben, eine geldwerte Mitgliedschaft (Jahresbeitrag von 300 Euro) und zusätzliche Zahlungen in beträchtlichem Umfang (hier: 2.000 Euro) zu generieren.

Dieser Zweck korrumpiere das für sich betrachtet legitime Mittel (Stellung eines Ordnungsmittelantrages), so dass sich der Sachverhalt in seiner Zweck-Mittel-Relation als rechtswidrig darstellt und damit neben dem Anfangsverdacht einer versuchten Erpressung dem Antragsgegner eine Einrede zur Hand gibt, die er im Ergebnis erfolgreich dem Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes entgegenhalten kann (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 StGB).

Wenn der Antragsgegner auf das Angebot des Antragstellers eingegangen wäre und eine Mitgliedschaft für einen Jahresbeitrag von 300 Euro begründet hätte und dem Antragsteller 2.000 Euro überwiesen hätte, dann hätte der Antragsteller – seinem Vorschlag folgend – keinen Bestrafungsantrag gestellt. Das mache diesen Antrag unzulässig. Diese Einrede könne auch auf (damals) § 8 Abs. 4 UWG gestützt werden, denn überwiegendes Interesse des mit dem Antrag zusammenhängenden „Vorschlages“ des Antragstellers war es, beim Antragsgegner Kosten zu erzeugen, für eine Jahresmitgliedschaft und durch Zahlung von 2.000 Euro. Durch die Eidesstattliche Versicherung komme außerdem zum Ausdruck, dass antragstellerseitig im Grunde genommen aus monetären Gründen nach Verstößen gesucht werde. Darüber hinaus seien dem Antragsgegner im Telefonat mehrerer Verstöße vorgeworfen worden, die der Antragsgegner aber bis auf einen überhaupt gar nicht begangen hatte. Auch die Höhe eines Ordnungsgeldes war unbotmäßig übertrieben, um den Antragsgegner zu einer außergerichtlichen Zahlung an den Antragsteller zu veranlassen („Sachsen brauche dringend Geld“). Alle diese Umstände würden den Rechtsmissbrauch und damit die Unzulässigkeit des Antrags zeigen.

Die Eidesstattliche Versicherung des Antragsgegners sei glaubhaft. Ihr würde ein Gedächtnisprotokoll zu Grunde liegen, das sich der Antragsgegner unmittelbar nach dem Telefonat angefertigt habe, um die Geschehnisse später vollständig darstellen zu können. Der Antragsgegner würde auch ein, gegenüber der Vermeidung von Ordnungsgeld, vollkommen inadäquates Risiko eingehen, wenn er etwas Falsches an Eides Statt versichern würde. Die Eidesstattliche Versicherung sei nachvollziehbar, detailreich und in ihrer inhaltlichen Aussage überzeugend.

Vergleich Vertragsstrafe und Ordnungsgeld

Ein Vergleich zwischen Vertragsstrafe und Ordnungsgeld ist interessant. Vertragsstrafen fallen ihrer Höhe nach regelmäßig viel höher aus, als dass bei Ordnungsgeldern der Fall ist. Das ist ein Grund, warum sich verständige Kaufleute im zu vermeidenden Verstoßfalle lieber in die Hand des Gerichts begeben im Rahmen des Ordnungsmittelverfahrens, als in die Hand des die Vertragsstrafe nach billigem Ermessen bestimmenden Gläubigers. Ordnungsgeld hat auch einen anderen Normzweck als Vertragsstrafe. Beim Ordnungsgeld geht es um die Durchsetzung des staatlichen Anspruchs auf Befolgung des Unterlassungsurteils. Bei der Vertragsstrafe geht es um die Befriedigung des Gläubigers mit einer Menge Geldes. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Instrumenten ist, dass Vertragsstrafe cash an den Gegner geht, während das Ordnungsgeld an den Staat gezahlt wird. Aus dieser unterschiedlichen Rechtsnatur folgt alles andere als die Parallelität der jeweiligen Höhe. Beim Ordnungsmittelverfahren behält der Staat das Gewaltmonopol in der Hand; bei der Vertragsstrafe werden die Parteien selbst auf das „Faustrecht“ verwiesen. Bei Vertragsstrafe ist die Korrekturmöglichkeit nur subsidiär, wenn nämlich das Gericht angerufen wird für den Fall, dass die Vertragsstrafe unangemessen hoch sei. Und trotzdem laufen diese Vertragsstrafverfahren meinem Vorurteil bis meiner Beobachtung nach in der Praxis so ab, dass die Hälfte von dem zugesprochen wird, was beantragt wurde, und also nur genügend zu beantragt werden braucht, damit am Ende Nennenswertes hängenbleibt.

Später habe ich dann noch einige Register mehr gezogen:

„Indem der Antragsteller nun das staatliche Ordnungsgeldverfahren als Instrument dazu zweckentfremdet, den Antragsgegner zu einer Mitgliedschaft und einer Vertragsstrafzahlung (die der Antragsgegner nicht versprochen hat!), zu bestimmen, missbraucht der Antragsteller das staatliche Ordnungsmittelverfahren, weil es nicht Sinn des staatlichen Ordnungsmittelverfahren ist, dem Gläubiger ein Druckmittel in die Hand zu geben, um mehr Mitglieder zu generieren und nichtversprochene Vertragsstrafen einzukassieren. Sondern einzig der Durchsetzung der Befolgung des Unterlassungsurteils dient, welches eben nicht im Sanktionsfall eine Zwangsmitgliedschaft des Antragsgegners beim Antragsteller und eine Vertragsstrafzahlung an ihn vorsieht. Der Antragsteller benutzt das Ordnungsmittelverfahren dazu, etwas zu erlangen, auf das er keinen Anspruch hat, Geldzahlung und Mitgliedschaft. Das ist aber ganz klar eine Zweckentfremdung des Ordnungsmittelverfahrens.“

Mit der Konsequenz, dass der gestellte Antrag unzulässig sei, weil ihm das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehle, er mithin rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB plus heute § 8c Abs. 1 UWG) und sogar sittenwidrig (§ 138 BGB) sei. Ich hatte auch den Einwand aus § 4a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UWG erhoben, denn mit dem Anruf beim Antragsgegner wurde seine Entscheidungsfreiheit, beim Antragsteller Mitglied zu werden oder nicht, durch Nötigung und unzulässige Beeinflussung beeinflusst. Der Antragsgegner wollte auf keinen Fall in der Mitgliederliste eines Abmahnvereins geführt werden, deshalb war eine Mitgliedschaft für ihn dort, auch wenn das billiger wäre, keine Option. Was der Antragsteller hier tat, sei progressive Mitgliederwerbung (vgl. § 16 Abs. 2 UWG). Ausdrücklich hatte ich auch den Schikaneeinwand (§ 226 BGB) erhoben. In § 226 BGB heißt es:

„Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.“

Genau diese Voraussetzungen waren erfüllt. Der Gläubiger hat zwar das Recht einen Bestrafungsantrag zu stellen. Aber er verwirkt dieses Recht, wenn der Gläubiger diesen Antrag nur deshalb stellt, weil der Schuldner kein Mitglied beim Gläubiger geworden ist und ihm keine Vertragsstrafe gezahlt hat.

Das Landgericht hat mir Recht gegeben! Landgericht Dresden, Beschluss vom 14.06.2017, 44 HK O 59/16:

Und der Abmahnverein hat sich dagegen beschwert.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens war dann wiederum Gelegenheit, das eine oder andere noch zu vertiefen.

Zur Anwendbarkeit von § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8c Abs. 1 UWG nF

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF im Ordnungsmittelverfahren anwendbar. Bereits seinem Wortlaut nach bezieht sich diese Norm auf „die Geltendmachung“ der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche.

Zur „Geltendmachung“ eines Anspruchs gehört etwa die Abmahnung. Unter Vorliegen der Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs kann dieser Einwand anerkanntermaßen bereits einer Abmahnung entgegengehalten werden. Daran ist bemerkenswert, dass die Vorverlagerung der Einrede zeitlich so weit nach vorn geht, dass in diesem Stadium ein gerichtliches Verfahren überhaupt noch nicht begonnen haben muss. Der Geltendmachung der Einrede steht es nicht entgegen, dass ihre Anwendbarkeit gegenüber einer Abmahnung nicht ausdrücklich in § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF angesprochen ist.

Damit muss die Einrede in einem gerichtlichen Verfahren, wie dem Ordnungsmittelverfahren, dass, wie das Landgericht mehrfach und zu Recht festgestellt hatte, der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs, mithin seiner „Geltendmachung“ diene, erst recht anwendbar sein. Wenn also der Rechtsmissbrauch bereits in der Abmahnstation gerügt werden kann, dann muss es auch möglich sein, Rechtsmissbrauch in der Vollstreckung – also im Ordnungsmittelverfahren – zu rügen.

Rechtsnatur der Einrede des Rechtsmissbrauchs

Seiner Rechtsnatur nach ist der Einwand aus § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF eine materiell-rechtliche Einrede, die sich aber bereits in der Zulässigkeitsprüfung eines Rechtsmittels auswirkt und ggf. auch niederschlägt, welches der „Geltendmachung“ eines Unterlassungsanspruchs dient und deswegen von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens geprüft werden muss, was einen entsprechenden Sachvortrag der sich darauf berufenden Partei voraussetzt. Ein solches Rechtsmittel ist auch der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes. § 890 ZPO nimmt die „Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen“ in Bezug. Diese Verpflichtung war der titulierte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG. Demnach bezog sich das Verfahren über die Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag auf einen Unterlassungsanspruch und diente also mithin seiner „Geltendmachung“.

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist auch im Ordnungsmittelverfahren anwendbar, weil sich der den Rechtsmissbrauch begründende Tatbestand (sachfremde Forderung von Vertragsstrafe, Instrumentalisierung des Gerichts, indem damit gedroht wurde, dass Gericht werde ein unverhältnismäßig hohes Ordnungsgeld verhängen, unangemessene weitere Einzelheiten des Telefonats, wie der Freistaat Sachsen brauche Geld oder Blut müsse fließen) erst in der Vollstreckungsstation gezeigt hat und nicht schon vorher, etwa bei der Abmahnung oder im Erkenntnisverfahren, es sei denn, der Gläubiger hätte vorgetragen, dass er es bereits von vorn herein darauf, nämlich auf Vertragsstrafe, abgesehen hätte, wofür immerhin hätte sprechen können, dass er sie beanspruchte, obwohl sie nicht versprochen war.

Weitere Einreden

Selbst wenn § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF nicht anwendbar wäre, so könnte die ihrer Art nach selbe Einrede nicht nur, wie der Gläubiger selbst schrieb, auf § 242 BGB gestützt werden, sondern auch auf die allgemeine Vorschrift des § 226 BGB, und zwar jeweils ohne, dass die Einrede dadurch entwertet würde oder qualitative Einbußen erführe. Hinzu kam, dass durch den gegebenen Sachverhalt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Ordnungsmittelantrag entfiel, der Schuldner die Einreden aus § 138 BGB, aus § 4a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UWG erhoben hat und dem Antrag auch § 16 Abs. 2 UWG einredeweise entgegengehalten wurde; hinzu kam § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 StGB.

Insbesondere zum Schikaneeinwand, § 266 BGB, war zu sagen, dass die Ordnungsmittelverhängung den Schuldner dafür bestrafen sollte, dass er auf den „Vorschlag“ des Gläubigers (Mitgliedschaft und Geldzahlung an den Gläubiger) nicht eingegangen war, mithin also sollte die Ausübung des Rechts (Antragstellung Ordnungsmittelverfahren) nur den Zweck haben konnte, dem Schuldner Schaden (Zahlung eines Ordnungsgeldes) zuzufügen.

Wahlmöglichkeit zwischen Vertragsstrafe und Ordnungsmitteln?

Entgegen der Ansicht des Gläubigers, wird ein Unterlassungsanspruch nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung „abgesichert“. „Absicherung“ intendiert eine einseitig im Verfügungsbereich des Gläubigers liegende Maßnahme, was aber eine Unterlassungserklärung gerade nicht ist. Es steht dem Schuldner frei, durch Abgabe einer solchen den Unterlassungsanspruch zu erfüllen. Der Schuldner kann aber auch den behaupteten Unterlassungsanspruch zunächst unerfüllt lassen und den Sachverhalt einer gerichtlichen Klärung zuführen und wird dann ggf. durch eine gerichtliche Entscheidung zur Unterlassung angehalten. Das wird ein Schuldner dann bevorzugen, wenn er Zweifel am Bestehen des Unterlassungsanspruchs hegt oder Ordnungsmittel im Verstoßfalle generell den Vorzug gibt gegenüber Vertragsstrafzahlungen, weil er sich für den Verstoßfall lieber in die Hand des Gerichts begibt als in die Hand des nach Ermessen Vertragsstrafe fordernden Gläubigers. Wenn der Schuldner den Weg des Ordnungsmittels wählt, dann kann der Gläubiger keine Vertragsstrafe fordern. Fehlt eine Unterlassungserklärung, gibt es schlicht keine Anspruchsgrundlage für Vertragsstrafe. Das musste vielleicht auch einmal in aller Deutlichkeit ausgesprochen werden. Die Forderung einer Geldzahlung und einer Mitgliedschaft, verbunden mit der Drohung, man werde widrigenfalls Ordnungsgeld beantragen, stellt aber in seiner Zweck-Mittel-Relation deshalb eine Verfehlung dar, weil das Mittel (Telefonat, Drohungen, Vertragsstrafforderungen, Forderung der Mitgliedschaft etc.) nicht legitim ist, weshalb die Einrede hier auch zu Recht erhoben worden war. Das Zahlungsverlangen war verwerflich, weil es mangels Unterlassungserklärung dafür keinen Rechtsgrund gab, und weil es sich in seiner Zweck-Mittel-Relation und auch auf Grund der Drohungen als rechtsmissbräuchlich darstelle.

Der Gläubiger hatte keine Wahlmöglichkeit zwischen Vertragsstrafe und Ordnungsmittelantrag, weil er über keine zu Vertragsstrafe berechtigende Unterlassungserklärung verfügte. Deshalb konnte er auch nicht zwischen Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung und Ordnungsmitteln wählen. Und deshalb durfte er nicht – über die Drohung mit der Verhängung von Ordnungsmitteln – Vertragsstrafe fordern, was wegen Entfremdung des Mittels den Zweck des Vertragsstrafverfahrens korrumpiert.

Der Gläubiger hatte den Schuldner bedroht und unter Druck gesetzt. Diese Drohung war das Gegenteil einer Einigung, zumal es dem Gläubiger nicht nur um die Zahlung einer Summe Geldes ging, sondern darüber hinaus auch um eine geldwerte Mitgliedschaft des Schuldners beim Gläubiger. Es wäre dogmatisch falsch, Vertragsstrafe als Alternative zum Ordnungsmittel anzuerkennen in Fällen wie diesem, wo es keine auf Vertragsstrafe lautende Unterlassungserklärung gibt. Denn sonst wäre eine Unterlassungserklärung überflüssig und der Anspruchsteller könnte immer gleich die Zahlung von Geld fordern, auch wenn das nicht versprochen worden wäre. Das wäre contra legem, denn § 12 Abs. 1 UWG aF / § 13 Abs. 1 UWG nF sieht es vor, dem Abgemahnten die Abgabe einer Unterlassungserklärung anzubieten. Aus § 12 Abs. 1 UWG aF / § 13 Abs. 1 UWG nF folgt allerdings auch, dass, wenn der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung abgegeben hat, der Anspruchsteller dann auch keine Vertragsstrafe fordern kann. Logisch oder?

Zum Rechtsmissbrauch im Einzelnen

Rechtsmissbrauch lag in der Zweckentfremdung des Ordnungsmittelverfahrens zur Generierung von Geldzahlungen und einer geldwerten Mitgliedschaft und auch in der rechtswidrigen Zweck-Mittel-Relation. Das nämlich ein an und für sich legitimes Mittel (Stellung eines Bestrafungsantrag bei Verstoß) zur Verfolgung eines illegitimen Zwecks (Zahlung nicht versprochener Vertragsstrafe, Mitgliedschaft) verwendet wird. Das eingesetzte Druckmittel (Blut müsse fließen, der Freistaat Sachsen brauche Geld) machte die Anspruchsausübung bereits deshalb rechtswidrig, weil bereits der Einsatz dieses Druckmittels (Drohung) rechtswidrig war. Hinzu kam, dass der Gläubiger dem Schuldner mit höheren Ordnungsmitteln gedroht hat, als im Regelfall bei einem Erstverstoß festgesetzt worden wären.

Darüber hinaus unterstellte der Gläubiger der Sächsischen Justiz sachfremde Erwägungen! Indem er behauptete, das Gericht würde allein schon deshalb eine hohe Vertragsstrafe gegen den Schuldner festsetzen, weil Sachsen Geld brauchen würde. Und der Gläubiger drohte dem Schuldner damit. Das ist etwas, das sich die Rechtspflege nicht zu bieten lassen braucht, wenn ich da mal für die Kollegen in den Roben mit Samtbesatz sprechen darf.

Zur Rechtsgrundlage sieht man nun entweder, wie es das Landgericht richtigerweise getan hat, dass § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF auch im Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet, weil das Ordnungsmittelverfahren der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs dient, wie es auch schon der Wortlaut der Norm sagt. Es ist anerkannt, dass sich das verwerfliche im Vordergrund stehende monetäre Interesse, was die Anspruchsdurchsetzung rechtswidrig macht, nicht nur im Aufwendungsersatz und den Rechtsverfolgungskosten (beides in § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF ausdrücklich genannt) erschöpft, sondern sich auch durch die Forderung überhöhter Vertragsstrafe ausdrücken kann; vorliegend kam hinzu, dass die Vertragsstrafe nicht versprochen war, zudem eine Mitgliedschaft verlangt wurde und mit Drohungen Druck aufgebaut wurde. Das sind überwiegend sachfremde und für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele, die als eigentliche Triebfeder und als beherrschendes Motive der Verfahrensführung, auch des Ordnungsmittelverfahrens, erscheinen (vgl. LG Dresden a.a.O. unter Rückgriff auf die Mißbrauchsdefinition, Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 8, Rn. 4.10). Das Landgericht hatte zu Recht festgestellt, dass der Gläubiger den Schuldner mehrfach bedroht hat, insbesondere äußerte, es müsse „Blut fließen“. Sachfremd war, anzunehmen, das Gericht werde ein hohes Ordnungsgeld verhängen, weil Sachsen Geld brauchen würde. Das Landgericht hatte auch gesehen, dass der Schuldner diese Drohungen ganz bewusst ausgesprochen hatte. Die alleinige Verfolgung der sachfremden Ziele hat den Antrag rechtsmissbräuchlich gemacht.

Selbst wenn man § 8 Abs. 4 UWG aF / § 8a Abs. 1 UWG nF nicht anwenden wöllte, blieben Schikaneverbot (§ 226 BGB), der Einwand aus § 16 Abs. 2 UWG (progressive Mitgliederwerbung), der Einwand aus § 4a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UWG, Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) sowie der Entfall des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses für den Bestrafungsantrag. Es standen also normativ genügend anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Einreden zur Verfügung, die der Schuldner auch sämtlich alle erhoben hat. Hinzu tritt unserer Ansicht nach aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 StGB (Erpressung) als Einrede.

Die Vertragsstrafe, die der Gläubiger dem Schuldner „angeboten“ hatte, war auch nicht niedriger als ein zu erwartendes Ordnungsgeld, weil das Ordnungsgeld geringer ausgefallen wäre, als der Gläubiger es darstellte (weil der Umstand, ob Sachsen Geld braucht kein Kriterium im Ordnungsmittelverfahren ist); weil zur Vertragsstrafe ein Mitgliedsbeitrag für eine unbestimmte Zeit treten sollte und weil Ordnungsmittel in der Erstfestsetzung erfahrungsgemäß weit unter den für Erstverstöße geforderten Vertragsstrafen liegen.

Und so hat es das Oberlandesgericht Dresden dann auch ausgeurteilt und mir damit abermals Recht gegeben. Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 31.07.2017, 14 W 629/17: