Das Widerrufsrecht für den Verkäufer

per Erstattung des Kaufpreises bei Nichtlieferbarkeit / Nichtverfügbarkeit der Leistung

Um es vorwegzunehmen: Der Verkäufer hat kein Widerrufsrecht, zumindest theoretisch. Aber was soll er tun, bei Nichtlieferbarkeit nach Vertragsschluss? Heißt es da nicht pacta sunt servanda? Verträge sind zu halten? Macht er sich nicht schadensersatzpflichtig, der Verkäufer, wenn er nicht liefert? Wir wollen es sehen!

Der Sachverhalt

Der Verkäufer bot in seinem Onlineshop Neuware an. Was er lieferte, habe jedoch angeblich starke Gebrauchsspuren aufgewiesen. Der Käufer reklamierte nebst Bildmaterial und sandte dem Verkäufer die Ware zurück und forderte ihn zur Übersendung von Neuware auf. Der Verkäufer zog noch eine Volte, indem er dem Käufer mitteilte, dass er die Ware dem Hersteller zur Prüfung eingesandt habe, worauf Letzterer antwortete, dass ihn dass nicht interessiere, er Neuware bestellt habe und auf deren Zusendung insistiere.

Daraufhin zahlte der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis zurück! Und dieser verklagte jenen auf Lieferung unbenutzter Neuware, Zug um Zug gegen Zahlung der Kaufsumme. Nun war guter Rat gefragt!

Das Problem

Eine Nachlieferung wurde seinerzeit nicht vorgenommen, da der Artikel bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr beschaffbar war (EOL – End of Life). Und eine Belieferung konnte deshalb auch nicht mehr, überhaupt nicht mehr, vorgenommen werden.

Ein Lösungsansatz: Unmöglichkeit

Der Artikel war nicht mehr beschaffbar. Das heißt, der Verkäufer kann ihn bei keinem seiner Zulieferer mehr bestellen, weil der Artikel nicht mehr lieferbar ist. Hierzu konnte ich die Zeugenaussage des beim Verkäufer angestellten verantwortlichen Mitarbeiters anbieten. Der Erbringung der Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrage stand damit meiner Ansicht nach Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB entgegen. Womit der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist. Diese Einrede habe ich dann auch erhoben.

Was wäre mit Schadensersatz?

Schadensersatz hatte der Käufer nicht beantragt. Dieser Schadensersatz würde sich auch im Bereich der – unstrittig – bereits zur Erstattung geleisteten Kaufpreiszahlung bewegen. Das heißt, wenn der Käufer seine Klage in dieser Situation auf Schadensersatz umgestellt hätte, dann hätte ich Erfüllung gemäß § 362 BGB eingewandt, weil der Verkäufer den Kaufpreis bereits an den Käufer überwiesen hatte. Im Übrigen hatte der Käufer zu Schadensersatz nicht vorgetragen.

Könnte man sich nicht gütlich einigen?

Da der Kaufpreis bereits erstattet wurde, stand auch kein Material mehr für eine gütliche Einigung im Raume. Der Verkäufer hätte dem Käufer sonst anbieten können, ihm den Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten. Was er, wie gesagt, aber bereits getan hatte. Und das war auch unstrittig. Das entspricht der Rechtslage: Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, § 326 Abs. 1 BGB.

Die Lösung

Und so wäre nichts anderes mehr übrig geblieben, als die Klage des Käufers abzuweisen.

Meines Erachtens nach ein gerechtes Ergebnis, denn der Käufer hat seinen Kaufpreis längst zurückerhalten. Der Verkäufer kann den Artikel nicht liefern; die Hauptleistungspflicht ist objektiv und subjektiv unmöglich geworden, § 275 Abs. 1 BGB.

Die Erstattung des Kaufpreises mag den Kaufvertrag nicht aufgelöst haben, Unmöglichkeit, § 275 BGB, steht der Erbringung der Hauptleistungspflicht jedoch dauerhaft entgegen. Hierzu war sogar Zeugenbeweis angeboten. Das Schicksal der Kaufpreiszahlung ist über § 326 Abs. 1 BGB geregelt: Der Anspruch entfällt. Im Ergebnis ist genau das eine gerechte Auflösung des Interessenkonflikts.

Vorsorglich war der Verkäufer auch vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil der Käufer vortrug, ein solcher Rücktritt habe nicht stattgefunden. Nach der hier vertretenen Lösung (§§ 275, 326 Abs. 1 BGB) dürfte es auf einen Rücktritt allerdings nicht mehr ankommen; deshalb war er nur vorsorglich erklärt.

Wie ist es ausgegangen?

Wir wissen es nicht! Oder: Wir wissen es schon! Tja, was soll ich sagen? Der Gegenanwalt hat sein Mandat niedergelegt und der Kläger seine Klage zurückgezogen, nach meiner Klageerwiderung. Wenn es doch immer so einfach wäre! Für mich ein Indiz dafür, dass ich mit meiner Argumentation genau richtig gelegen habe. Und eine Mandatskündigung kann (auch) andere Gründe haben, die ich hier nicht zu vertiefen brauche. Ich empfinde es allerdings schon als Ritterschlag und zwar für mich in diese Falle, wenn ein Kläger seine Klage zurücknimmt, allein auf meine Argumentation hin und wir mithin gar nicht erst des Gerichts bedürfen. Meinen Respekt dem hier natürlich namentlich nicht Genannten! Auch wenn ich damit nun keine zitable Entscheidung habe; dieser Artikel tuts auch.

Was ist mit einem vertraglichen Rücktrittsrecht für den Verkäufer per AGB?

Nun könnte man ja auf die Idee kommen, im Einklang mit § 308 Nr. 8 BGB für diesen Fall der Nichtverfügbarkeit der Leistung eine Klausel zu schreiben, die einen Vorbehalt des Verkäufers begründet, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn er sich gleichzeitig verpflichtet, den Käufer unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und ihm den Kaufpreis unverzüglich zu erstatten. – Wer mich kennt, kennt auch meine Einstellung zu (solchen) AGB.

Also, auch, wenn es kein gesetzliches Rücktrittsrecht für den Verkäufer geben mag, so kann er sich doch für solche Situationen zumindest ein vertragliches Rücktrittsrecht ausbedingen, was jedenfalls zeigt, dass dem Gesetzgeber wenigstens die Idee eines „Widerrufsrechts für Verkäufer“ nicht ganz fremd war! Immerhin!

Braucht man eine solche AGB?

Der vorliegende Fall zeigt: Nein. Es geht auch ohne. Es geht auch mit § 275 BGB – Der Einrede der Unmöglichkeit der Leistung.

Fazit

Der Verkäufer hat dieses faktische Rücktrittsrecht. Er übt es aus durch die Rückzahlung des Kaufpreises. Es muss halt die Ware auch tatsächlich nicht mehr lieferbar sein. Und der Verkäufer muss auf einen verständigen Kunden respektive einen Richter treffen, der die Argumentation gut nachvollziehen kann. Mir jedenfalls ist sie schlüssig. Faktisch hat der Verkäufer dieses „Widerrufsrecht“. Und praktisch übt er es aus, indem er den Kaufpreis zurückzahlt. Und den Kunden angemessen informiert. Wie es ja die Idee des § 308 Nr. 8 BGB ist. Aber es läuft eben auch, ohne, dass man eine solche AGB ausdrücklich implementiert. Zumindest in dem hier besprochenen, aber gerichtlich nicht entschiedenen Fall oder besser gesagt. Fällchen. Allerdings: höchst skalierbarem „Fällchen“!