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Das Widerrufsrecht für den Verkäufer

per Erstattung des Kaufpreises bei Nichtlieferbarkeit / Nichtverfügbarkeit der Leistung

Um es vorwegzunehmen: Der Verkäufer hat kein Widerrufsrecht, zumindest theoretisch. Aber was soll er tun, bei Nichtlieferbarkeit nach Vertragsschluss? Heißt es da nicht pacta sunt servanda? Verträge sind zu halten? Macht er sich nicht schadensersatzpflichtig, der Verkäufer, wenn er nicht liefert? Wir wollen es sehen!

Der Sachverhalt

Der Verkäufer bot in seinem Onlineshop Neuware an. Was er lieferte, habe jedoch angeblich starke Gebrauchsspuren aufgewiesen. Der Käufer reklamierte nebst Bildmaterial und sandte dem Verkäufer die Ware zurück und forderte ihn zur Übersendung von Neuware auf. Der Verkäufer zog noch eine Volte, indem er dem Käufer mitteilte, dass er die Ware dem Hersteller zur Prüfung eingesandt habe, worauf Letzterer antwortete, dass ihn dass nicht interessiere, er Neuware bestellt habe und auf deren Zusendung insistiere.

Daraufhin zahlte der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis zurück! Und dieser verklagte jenen auf Lieferung unbenutzter Neuware, Zug um Zug gegen Zahlung der Kaufsumme. Nun war guter Rat gefragt!

Das Problem

Eine Nachlieferung wurde seinerzeit nicht vorgenommen, da der Artikel bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr beschaffbar war (EOL – End of Life). Und eine Belieferung konnte deshalb auch nicht mehr, überhaupt nicht mehr, vorgenommen werden.

Ein Lösungsansatz: Unmöglichkeit

Der Artikel war nicht mehr beschaffbar. Das heißt, der Verkäufer kann ihn bei keinem seiner Zulieferer mehr bestellen, weil der Artikel nicht mehr lieferbar ist. Hierzu konnte ich die Zeugenaussage des beim Verkäufer angestellten verantwortlichen Mitarbeiters anbieten. Der Erbringung der Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrage stand damit meiner Ansicht nach Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB entgegen. Womit der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist. Diese Einrede habe ich dann auch erhoben.

Was wäre mit Schadensersatz?

Schadensersatz hatte der Käufer nicht beantragt. Dieser Schadensersatz würde sich auch im Bereich der – unstrittig – bereits zur Erstattung geleisteten Kaufpreiszahlung bewegen. Das heißt, wenn der Käufer seine Klage in dieser Situation auf Schadensersatz umgestellt hätte, dann hätte ich Erfüllung gemäß § 362 BGB eingewandt, weil der Verkäufer den Kaufpreis bereits an den Käufer überwiesen hatte. Im Übrigen hatte der Käufer zu Schadensersatz nicht vorgetragen.

Könnte man sich nicht gütlich einigen?

Da der Kaufpreis bereits erstattet wurde, stand auch kein Material mehr für eine gütliche Einigung im Raume. Der Verkäufer hätte dem Käufer sonst anbieten können, ihm den Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten. Was er, wie gesagt, aber bereits getan hatte. Und das war auch unstrittig. Das entspricht der Rechtslage: Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, § 326 Abs. 1 BGB.

Die Lösung

Und so wäre nichts anderes mehr übrig geblieben, als die Klage des Käufers abzuweisen.

Meines Erachtens nach ein gerechtes Ergebnis, denn der Käufer hat seinen Kaufpreis längst zurückerhalten. Der Verkäufer kann den Artikel nicht liefern; die Hauptleistungspflicht ist objektiv und subjektiv unmöglich geworden, § 275 Abs. 1 BGB.

Die Erstattung des Kaufpreises mag den Kaufvertrag nicht aufgelöst haben, Unmöglichkeit, § 275 BGB, steht der Erbringung der Hauptleistungspflicht jedoch dauerhaft entgegen. Hierzu war sogar Zeugenbeweis angeboten. Das Schicksal der Kaufpreiszahlung ist über § 326 Abs. 1 BGB geregelt: Der Anspruch entfällt. Im Ergebnis ist genau das eine gerechte Auflösung des Interessenkonflikts.

Vorsorglich war der Verkäufer auch vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil der Käufer vortrug, ein solcher Rücktritt habe nicht stattgefunden. Nach der hier vertretenen Lösung (§§ 275, 326 Abs. 1 BGB) dürfte es auf einen Rücktritt allerdings nicht mehr ankommen; deshalb war er nur vorsorglich erklärt.

Wie ist es ausgegangen?

Wir wissen es nicht! Oder: Wir wissen es schon! Tja, was soll ich sagen? Der Gegenanwalt hat sein Mandat niedergelegt und der Kläger seine Klage zurückgezogen, nach meiner Klageerwiderung. Wenn es doch immer so einfach wäre! Für mich ein Indiz dafür, dass ich mit meiner Argumentation genau richtig gelegen habe. Und eine Mandatskündigung kann (auch) andere Gründe haben, die ich hier nicht zu vertiefen brauche. Ich empfinde es allerdings schon als Ritterschlag und zwar für mich in diese Falle, wenn ein Kläger seine Klage zurücknimmt, allein auf meine Argumentation hin und wir mithin gar nicht erst des Gerichts bedürfen. Meinen Respekt dem hier natürlich namentlich nicht Genannten! Auch wenn ich damit nun keine zitable Entscheidung habe; dieser Artikel tuts auch.

Was ist mit einem vertraglichen Rücktrittsrecht für den Verkäufer per AGB?

Nun könnte man ja auf die Idee kommen, im Einklang mit § 308 Nr. 8 BGB für diesen Fall der Nichtverfügbarkeit der Leistung eine Klausel zu schreiben, die einen Vorbehalt des Verkäufers begründet, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn er sich gleichzeitig verpflichtet, den Käufer unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und ihm den Kaufpreis unverzüglich zu erstatten. – Wer mich kennt, kennt auch meine Einstellung zu (solchen) AGB.

Also, auch, wenn es kein gesetzliches Rücktrittsrecht für den Verkäufer geben mag, so kann er sich doch für solche Situationen zumindest ein vertragliches Rücktrittsrecht ausbedingen, was jedenfalls zeigt, dass dem Gesetzgeber wenigstens die Idee eines „Widerrufsrechts für Verkäufer“ nicht ganz fremd war! Immerhin!

Braucht man eine solche AGB?

Der vorliegende Fall zeigt: Nein. Es geht auch ohne. Es geht auch mit § 275 BGB – Der Einrede der Unmöglichkeit der Leistung.

Fazit

Der Verkäufer hat dieses faktische Rücktrittsrecht. Er übt es aus durch die Rückzahlung des Kaufpreises. Es muss halt die Ware auch tatsächlich nicht mehr lieferbar sein. Und der Verkäufer muss auf einen verständigen Kunden respektive einen Richter treffen, der die Argumentation gut nachvollziehen kann. Mir jedenfalls ist sie schlüssig. Faktisch hat der Verkäufer dieses „Widerrufsrecht“. Und praktisch übt er es aus, indem er den Kaufpreis zurückzahlt. Und den Kunden angemessen informiert. Wie es ja die Idee des § 308 Nr. 8 BGB ist. Aber es läuft eben auch, ohne, dass man eine solche AGB ausdrücklich implementiert. Zumindest in dem hier besprochenen, aber gerichtlich nicht entschiedenen Fall oder besser gesagt. Fällchen. Allerdings: höchst skalierbarem „Fällchen“!

Die leere Paketbox

Rezension von Amtsgericht Pirna, Endurteil vom 03.11.2023, Az.: 13 C 272/23

Der Fall ist schnell erzählt:

Der Käufer bestellte, bezahlte und erhielt die Waren geliefert. Einen Tag später widerrief er den Kaufvertrag und wollte seinen Kaufpreis zurück. Die Kaufsache allerdings langte nicht beim Händler ein! Der Käufer klagte und wies einen DHL-Einlieferungsbeleg vor. Der Händler – vertreten durch mich – verweigerte die Rückzahlung des Kaufpreises.

Wir konnten ein Schreiben der DHL vorlegen, das bestätigte, dass die Paketbox leer war:

„Vor dem Hintergrund des leeren Faches der Packstation, müssen wir bestreiten, dass die Sendung zur Beförderung übergeben worden ist.“

Dagegen legte der Kläger eine Eidesstattliche Versicherung seiner Mutter vor, „welche das Einlegen des entsprechenden Pakets beobachtet haben will“, wie es das Amtsgericht Pirna vornehm-zurückhaltend ausdrückte.

Schließlich hat das Gericht sogar eine Mitarbeiterin der DHL schriftlich als Zeugin vernommen:

„Diese hat erneut bestätigt, dass der zuständige Mitarbeiter der DHL keine Warensendung des Klägers in der Packstation vorgefunden habe. Eine entsprechende Sendung sei auch im Lager der DHL für Fundsendungen vorhanden. Die Zeugin hat zugleich aber klargestellt, dass sie nicht abschließend beurteilen könne, ob der Kläger die Sendung tat sächlich gar nicht erst in die Packstation eingelagert hätte oder ein Fehler des entleerenden Mitarbeiters bzw. ein technischer Fehler vorlag. Sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass der Sendungsbeleg letztlich automatisch generiert wird und daher kein sicherer Nachweis dafür sei, dass die Sendung auch tatsächlich in die Packstation eingelegt worden ist.“

Mit der Aussage der Mutter hat sich das Gericht – sehr zu Recht! – kritisch auseinandergesetzt:

„Die vorliegende schriftliche Aussage der Mutter des Klägers ist extrem knapp gehalten und beschränkt sich im Wesentlichen auf eine stichwortartige Aufzählung der Handlungen, welche die Zeugin wahrgenommen haben will. Auch der Kläger selbst hat nach einem entsprechenden Vorhalt des Beklagten jedenfalls nicht eindeutig bestritten, dass die schriftlichen Aussagen unterschriftsreif vorgefertigt gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sind die Angaben der Mutter des Klägers nicht ausreichend, um die oben beschriebene Unsicherheit über den tatsächlichen Hergang zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich auszuräumen.“

Das ging dann folgerichtig auch zu Lasten des Klägers.

Rechtliche Einordnung und Beweiswürdigung

Erinnern Sie sich an die Muster-Widerrufsbelehrung? Steht da nicht der Satz:

„Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.“?

Ich glaube, das ist der einzige für Händler günstige Satz in der Widerrufsbelehrung!

Der war dann auch die Lösung des Falles: Der Händler berief sich auf sein Zurückbehaltungsrecht aus § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB.

Der Kläger konnte den Nachweis nicht erbringen, dass er die Waren abgesandt hatte.

Dem stand schon die Bestätigung der DHL entgegen, dass die DHL das Paketfach leer vorgefunden hat. Wie der Kläger den Einlieferungsbelegt erzeugt hatte, konnte anfänglich noch nicht erklärt werden. Der Bescheinigung von DHL würde jedoch ein höherer Beweiswert beizumessen sein, da die DHL gegenüber Einem von Millionen persönlich unbekannten Kunden keinerlei Belastungstendenz nachzusagen sein dürfte, während der Kläger in Person einen, vermeintlich für ihn günstigen Beleg präsentierte. Selbst wenn man dabei zu dem Ergebnis käme, dass Aussage gegen Aussage stünde, wäre damit kein Beweis erbracht. In jedem Falle aber stünde die Bescheinigung der DHL der Behauptung des Klägers, er habe die Rücksendung in die Paketbox eingelegt, effektiv entgegen; diese Behauptung war damit widerlegt.

Auch die Regelung nach § 355 Abs. 3 Satz 4 BGB, wonach bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Unternehmer trage, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Weil die Rücksendung überhaupt noch nicht begonnen hatte! Die DHL hatte nichts vorgefunden, was sie hätte befördern können. Die Regel des § 355 Abs. 3 Satz 4 BGB deckt den Zeitraum der Rücksendung ab; der Verbraucherverkäufer soll für den Transporteur einstehen. Die Regel deckt keine Zeiträume vor Beginn oder mangels Beginnes der Rücksendung ab. Diese Verantwortung liegt in der Tat beim Käufer. Nachdem nun die DHL bestätigte, dass sie mit der Rücksendung überhaupt noch nicht begonnen hatte und mangels Rücksendegutes auch nicht beginnen konnte, konnte die Gefahrtragungsregel nicht greifen.

Die Einlieferungsbeleg ist maschinell erzeugt („noreply@dhl.de“), während die nachträgliche Bestätigung der DHL von einem realen Menschen, die später als Zeugin schriftlich aussagte, erteilt worden war. Bereits der Bestätigung der DHL, dass die Paketbox leer gewesen sei, dürfte ein höherer Beweiswert gegenüber dem Einlieferungsbeleg beizumessen sein. Man könnte sogar in der Bestätigung der DHL, dass die Box leer gewesen ist, eine Berichtigung der Aussage des „Einlieferungsbeleges“ sehen. So dass auch die Frage, wie der Einlieferungsbeleg entstanden ist, die möglicherweise auch nur mit strafrechtlichem Instrumentarium zu beantworten wäre, an dieser Stelle dahinstehen konnte. Da auch von keinen Einbruchsspuren an der Paketbox die Rede war, war es sehr wahrscheinlich, dass in diese Paketbox nichts eingelegt wurde. Die DHL jedenfalls hat die Box unversehrt und leer vorgefunden. Und das auch bestätigt.

Eine leere Box ist nun einmal eine leere Box

Für diese Leere in der Box kann der Betreiber der Box nicht verantwortlich gemacht werden; erst recht nicht der potentielle Empfänger der Rücksendung. Mangels eines Gutes, das untergehen könnte, greifen auch die Regeln über den Untergang von Gütern hier nicht ein.

Was mangels Existenz in dieser Box nicht untergehen kann, kann auch nicht zu Lasten einer Partei oder zugunsten der anderen untergehen. Kurz: Was von vornherein gar nicht da ist, das kann auch nicht untergehen.

Den Einlieferungsbelg kann man problemlos selbst an der Packstation erzeugen, unabhängig davon, ob man ein Paket eingelegt hat.

Der Ablauf ist der Folgende:

  • DHL Label erstellen
  • an der Packstation Barcode einscannen
  • es öffnet sich ein Paketfach und man wird aufgefordert, ein Paket dort einzulegen
  • Paket einlegen oder auch nicht (letzteres könnte eine Strafbarkeit nach sich ziehen)
  • Am Display wird abgefragt, ob ein Paket eingelegt wurde und man muss dies auf dem Display bestätigen. Dies geht auch ohne Einlegen eines Paketes, da es keine Waage oder elektronische Überwachung des Faches (z.B. Kamera) gibt (Disclaimer wie eben!).
  • Danach erhält man eine Einlieferungsbestätigung

So lautete dann auch die schriftliche Zeugenaussage der DHL:

„Ob der Kunde die Sendung tatsächlich eingelegt hat, kann erst durch unseren Mitarbeiter bei Entleerung der Packstation erfolgen. Dieser hat im konkreten Fall, wie bereits dargelegt, gescannt, dass sich in dem Packstationsfach, in welchem die Sendung eingelegt worden sein soll, keine Sendung befunden hat.“.

Das beweist nicht, dass ein Paket eingelegt wurde. Vielmehr dürfte es nach dieser Zeugenaussage erwiesen sein, dass der Kläger kein Paket in die Packstation eingelegt hat. Damit wäre sogar der Gegenbeweis erfolgreich geführt.

Demgegenüber vermochte die schriftliche Zeugenaussage der Mutter des Klägers nicht zu überzeugen. An der Glaubwürdigkeit waren Abstriche zu machen, denn sie ist die Mutter des Klägers und dürfte nach allgemeiner Lebenserfahrung die Tendenz haben, das Vorbringen ihres Sohnes zu unterstützen. Zudem war die Aussage formelhaft („anwesend war oder festgestellt hat“). Das Formular war semiprofessionell vorgefertigt und lediglich unterschrieben. Die Aussage war hinsichtlich des angeblichen Einlegens des Paketes nicht detailhaft und inhaltsreich, sondern punktuell und nichtssagend. Die Aussage ging im Grunde genommen inhaltlich nicht über den Parteivortrag hinaus; ihr Beweiswert war daher von vorn herein eingeschränkt bis nicht vorhanden. Es war auch kein Datum angegeben, wann die Zeugin die angeblichen Wahrnehmungen gehabt haben wollte; weiterführende Anhaltspunkte oder Umstände, die dem Gericht eine Einordnung und unabhängige Beweiswürdigung überhaupt erst ermöglichen hätten können, fehlen. Im Übrigen gab es für eine schriftliche Zeugeneinvernahme dieser Zeugin keine gerichtliche Anordnung. Damit fehlte die Rechtsgrundlage für diese „Zeugeneinvernahme“; sie wirkte auch etwas „vorgeschoben“ und konstruiert; mithin unglaubhaft.

Es bestehen unserer Ansicht nach sogar Anhaltspunkte für eine in Betracht kommende Strafbarkeit; insbesondere in Zusammenschau mit der – angeordneten – schriftlichen Zeugeneinvernahme der DHL, die eben ganz anders lautete!

Aus Sicht des Klägers standen hier bestenfalls Aussage gegen Aussage; auch damit wäre der ihm obliegende Beweis nicht erbracht.

Das Amtsgericht Pirna ist uns hier erfreulicherweise in allen Punkten gefolgt!

Und die Moral von der Geschicht‘

Die Sache war semiprofessionell aufgezogen und wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine „Masche“ vorliegt. Das führt zu der Frage, wie viele Onlinehändler – in vielleicht vergleichbaren Fällen – auf so eine Geschichte hereinfallen würden: Widerruf, Kaufpreisrückforderung; aber eben eine leere Paketbox bei der Einlieferung der zurückzugebenden Kaufsache in eine Packstation der DHL (oder eines anderen Logistikers).

Es lohnt sich, die Dinge auch in so „kleinen“ Fällen kritisch zu hinterfragen und sorgfältig zu prüfen. Onlinehändler wissen, gutlaufende Produkte können schnell mal in Serie gehen.

Lesen Sie hier die Entscheidung im Original; ein kleines Fehlerchen – Wer findet es? – ist bereits zur Berichtigung beantragt:

Inzwischen gibt es einen nicen Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts Pirna vom 29. Februar 2024, dem zusätzlichen Tag, den es wohl aller vier Jahre einmal gibt. Auch im Berichtigungsverfahren konnte sich der Kläger mit seiner Rechtsansicht nicht durchsetzen. Das Vorhandensein eines 29. Februar – von Zeit zu Zeit – zeigt, wie schwer es uns doch fällt, einen nach menschlichen Maßstäben perfekten Kalender an die unendliche Perfektion des Universums anzupassen. Das ist wie, wenn in einem Urteil mal das kleine Wörtchen „nicht“ fehlen würde, was natürlich genau so selten vorkommt. Und falls doch, sofort berichtigt wird; auf Antrag natürlich. Also wieder einmal: Ein Lob des Lesens und ein Dank nach Pirna!

Die neue Widerrufsbelehrung

Widerrufsbelehrung

Widerrufsrecht

Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen.

Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat.

Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns

(Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und, soweit verfügbar, Ihre Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse ein.) 

mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.

Folgen des Widerrufs

Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrages bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, dass Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.

Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an den Sie uns über den Widerruf dieses Vertrages unterrichten, an uns zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden. Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umfang mit ihnen zurückzuführen ist.

Anmerkungen

Es handelt sich vorstehend um einen möglichen Entwurf, das heißt, eine über die amtlichen Hinweise ausgearbeitete Variante der Musterwiderrufsbelehrung für den Verkauf von Waren. Zur Vertiefung ist die Lektüre der Gestaltungshinweise empfehlenswert, die Sie ab Seite 3663 des Gesetzblattes finden: Verbraucherrichtlinie

Belehrung und Erklärung

Neben der Musterwiderrufsbelehrung, dessen System schon bekannt ist, gibt es jetzt auch ein Muster für die Ausübung des Widerrufsrechts, ein vom Unternehmer zu personalisierendes Formular, die Musterwiderrufserklärung.

Für Verbraucher

Der Gesetzgeber hat wieder vergessen, „Für Verbraucher“ davor zu setzen. Diese Retusche oder besser dieses Intro oder diese Anmoderation kann man hoffentlich bedenkenlos und leicht selbst vornehmen.

Telefonnummer

Interessanterweise darf jetzt eine Telefonnummer abmahn-unschädlich in die Widerrufsbelehrung aufgenommen werden. Das Landgericht Bremen hatte das vorausgesehen.

Zur Verfügung stellen der Musterwiderrufserklärung

Mit einer neuen Musterwiderrufsbelehrung gibt es jetzt auch ein neues Muster-Widerrufsformular, zwingend im Angebot, fakultativ in seiner Verwendung. Der Unternehmer hat dem Verbraucher nicht nur die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts, wozu er sich der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung bedienen wird, „zur Verfügung zu stellen“, sondern auch das Muster-Widerrufsformular selbst (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 zu Art. 246a EGBGB). Wichtig dabei ist, dass der Unternehmer es ist, der seine Daten zuvor in dieses Formular einzupflegen hat. Ach übrigens, ja, Sie können den Verbraucher dieses Formular auch auf Ihrer Webseite ausfüllen lassen. Dadurch ändert sich aber nicht nur der Text der Musterwiderrufsbelehrung (Gestaltungshinweis 3!), sondern: Sie müssen dem Verbraucher dann auch unverzüglich eine Bestätigung über den Eingang eines solchen Widerrufs erteilen.

Rücksendekosten

Interessant wird es am Ende beim Gestaltungshinweis 5 zu den Rücksendekosten. Im Gesetzestext heißt es, dass die Angabe nur dann nötig ist, wenn „die Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht normal mit der Post zurückgesandt werden können“. Letzeres dürfte nur im Ausnahmefall zutreffen, so dass die umstrittene Angabe dann auch nur in eben diesem Ausnahmefall zu machen ist. Interessant ist, was unter Post in diesem Sinne zu verstehen ist. Hierzu gibt es natürlich noch keine Rechtsprechnung. Die Auslegung des Gestaltungshinweises nach dem Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB) könnte aber ergeben, dass mit Post in diesem Sinne alles das gemeint ist, was der Verbraucher unter Post versteht, also DHL, DPD, GLS und alles, was der Verbraucher sonst noch unter Post versteht, nicht jedoch der Versandt per Palette, Speditionsgut oder Konzertflügel.

Zurückbehaltungsrecht und Standardlieferung

Neu ist ebenfalls, dass jetzt ein Zurückbehaltungsrecht für den Unternehmer ausdrücklich in die Musterwiderrufsbelehrung aufgenommen worden ist. Die Musterwiderrufsbelehrung kreiert schließlich auch einen neuen Rechtsbegriff, den der Standardlieferung.

Ihr Rechtsanwalt Wolfgang Wentzel


Gesetzestext nachlesen: Verbraucherrechterichtlinie

Einen ausführlichen Artikel über die neuen Regelungen der Verbraucherrechterichtlinie finden Sie >>hier.

Keine Haftung außerhalb von konkret erteiltem Mandat