Erzeugung von Kopien einer Internetseite auf dem Bildschirm und im Cache der Festplatte während des Internet-Browsings sind keine Urheberrechtsverletzung
Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass die von einem Endnutzer bei der Betrachtung einer Internetseite erstellten Kopien auf dem Bildschirm seines Computers und im „Cache“ der Festplatte dieses Computers den Voraussetzungen, wonach diese Kopien vorübergehend, flüchtig oder begleitend und ein integraler und wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens sein müssen, sowie den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie genügen und daher ohne die Zustimmung der Urheberrechtsinhaber erstellt werden können. (Leitsatz des EuGH)
Europäischer Gerichtshof, Entscheidung vom 5. Juni 2014, Az. C‑360/13.
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Der Meinung bin ich aber auch! Anders, als es das Landgericht Köln in Fällen von Live-Streaming ansah, fehlt es nämlich bei solchen „flüchtigen Speicherungen“ an Substanz, die dazu erforderlich wäre, um eine Reproduzierbarkeit zu ermöglichen. Sonst könnte YouTube schließen! Diese Arten von Speicherung dienen nur der vorläufigen Stabilität der „Sendung“, etwa, um kurzfristige Netzausfälle oder dergleichen zu überbrücken. Eine genügende Festigkeit oder „Verkörperung“, die nötig wäre, um den Inhalt zu reproduzieren, findet nicht statt. Live-Streaming ist sozusagen das „Gegenteil“ einer Urheberrechtsverletzung durch Kopieren. Die Daten bleiben auf dem sendenden Gerät. Das Einzige, was vorübergehend im „Arbeitsspeicher“ des Empfängers zwischengelagert wird, sind die für das Abspielen (nicht aber tatsächliches Speichern) erforderlichen Daten. Diese sind, dafür hat der EuGH wundervolle Worte gefunden, „vorübergehend“, „flüchtig“. Aus sich selbst heraus können und wollen Live-Strems das urheberrechtsgeschützte Werk nicht reproduzieren. Die Entscheidung betrifft zwar nicht ausdrücklich das Live-Streaming, spricht aber einige Standards aus, die wir für die Live-Streaming-Debatte fruchtbar machen können, und zwar dahingehend, dass Live-Streaming genau so wenig eine Urheberrechtsverletzung ist, wie die „Spuren im Cache“ in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, weil Live-Streaming „flüchtig“ und „vorläufig“ ist. Der Stream ist keine Kopie, sondern eine Brücke zur Kopie (oder dem Original) auf dem sendenden Gerät.
Rechtsanwalt Wolfgang Wentzel, Dresden
Super, endlich mal ein Gericht, welches sich mit den technischen Abläufen beschäftigt und nicht einfach der Argumentationskette von Rechteverwertern folgt.
Man hatte ja in den vergangenen Jahren immer wieder den Eindruck, dass hier für die Lobby Urteile gefällt werden, die fernab jeglicher Realität sind.
Vielleicht ändern sich dies gerade. Vielleicht auch deswegen, dass die nächste Generation von Richtern in die Gerichte einzieht, welche sich mit dem Internet besser auskennen. Oder wie siehst du dies, Wolfgang?
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Ich sehe das ganz genau so! Leider setzt sich noch hin und wieder einfach das Recht des Stärkeren durch, weil – glücklicherweise in Minderheit – einige Gerichte der Fehleinschätzung unterliegen, der Stärkere habe einfach deshalb Recht, weil er der Größere ist, sein „Recht“ habe ihn wachsen lassen. Um so mehr begrüße ich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs! Es ist schön, dass diese nächste Generation von Richtern gerade nun auch in den höheren Gerichten anzutreffen ist! Es ist eine Ermutigung, bei den Instanz-Gerichten doch hin und wieder einmal anzuregen, eine Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Nebenbei gesagt, ist das ein willfähriger Hinweis darauf, dass die Europäische Union, hier namentlich der Europäische Gerichtshof, doch ganz sinnvoll sein können!
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